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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes
Autoren: Ulrike Schweikert
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abgewetzten Sessel fallen.
    „Dass du immer noch hier wohnst!" Seine Stimme hatte einen nörgelnden Klang angenommen. Sabine seufzte, setzte sich aufs Sofa und nahm Julia in die Arme, die sich gähnend an die Mutter kuschelte. Sabine wusste genau, was nun kommen würde, und richtig: „Ich finde das unmöglich, dass du in St. Georg wohnst. Zwischen all dem Gesindel: Nutten, Zuhälter, Schwule und Drogenabhängige."
    Es lag ihr auf der Zunge, dass sie Schwule nicht zu Gesindel zählte und es außerdem in St. Georg klare Grenzen gab. Hier in der Langen Reihe fand man Kneipen, Cafes und Weinlokale, Künstler und Studenten, doch keine Junkies oder Zuhälter.
    „Du musst auch mal an mich denken. Was glaubst du, was das für einen Eindruck macht, wenn meine Geschäftsfreunde erfahren, dass meine geschiedene Frau in St. Georg wohnt", fuhr Jens ungehalten fort.
    „Dann erzähle deinen feinen Geschäftsfreunden doch einfach, dass ich in der Nähe der Alster wohne. Das hört sich doch gleich viel vornehmer an", schlug Sabine vor, erntete aber nur einen vorwurfsvollen Blick.
    „Nicht genug, dass du dich beruflich in diesem Milieu herumtreibst."
    „Ja, da sind deine Klienten natürlich viel besser. Sie tragen Anzüge und haben nur ein paar Urkunden gefälscht und ein bisschen betrogen und Steuern hinterzogen und so'n Kram, nicht wahr, Herr Anwalt?" Sie funkelten sich wütend an.
    „Mama, ich habe Hunger!", brachte sich Julia den Streithähnen wieder ins Gedächtnis.
    Sabine lächelte ihre Tochter an. „Dann gehen wir am besten gleich in die Küche und kochen zusammen Spaghetti."
    Das schien auch nach Leilas Geschmack zu sein, die hektisch mit dem Schwanz zu wedeln begann, nur Jens verzog das Gesicht.
    „Ich dachte, wir gehen essen. Was hältst du davon, zum Anleger Teufelsbrück hinunterzufahren und im Hotel Jacob schön zu speisen?"
    Sabine schüttelte energisch den Kopf. „Das wird für Julia viel zu spät. Du musst ja keine Tomatensauce essen. Ich mache dir eine Sahnesauce mit Steinpilzen, es ist Prosecco und Chianti da, außerdem war ich im Persischen Haus."
    Mit einem Glas Prosecco in der Hand und der Aussicht auf persische Süßigkeiten zum Nachtisch ergab sich Jens Thorne in sein Schicksal, während Sabine in der Küche mit den Töpfen klapperte.
     

Ronja
    Peter von Borgo parkte sein schweres Motorrad unter einer ausladenden Linde. Mit einer ungeduldigen Bewegung strich er sich das nasse Haar aus dem Gesicht und schritt dann an den gepflegten Vorgärten entlang. Hinter spät blühenden Rosen und Buchsbäumen ragten weiß verputzte Häuser aus der Gründerzeit auf, die Fenster und Türen mal rundbogig, mal rechteckig, gerahmt von Säulenreliefen, beschirmt von überkragenden Gesimsen. Vor den schmiedeeisernen Toren waren weiße Schilder angebracht, die Hinweise auf die Arztpraxen oder Anwaltskanzleien gaben, die sich hinter den dichten Gardinen verbargen.
    Peter von Borgo strebte einem beigefarbenen Klinkerbau zu, der schlicht und hässlich eine Lücke zwischen den alten Stadthäusern füllte. Die Haustür sprang schon nach dem ersten kurzen Klingelzeichen auf, und er trat ein. Der Vampir roch die alte Bewohnerin im Erdgeschoss, die wieder hinter ihrer Wohnungstür stand und neugierig durch den Spion lugte. Seine Nasenflügel blähten sich. Klosterfrau Melissengeist, Pfefferminztee und Niveacreme mischten sich mit dem Geruch des Haushaltsreinigers, mit dem die graugrüne Steintreppe gewischt worden war.
    Zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte der schlanke Mann mit der auffällig blassen Haut in den zweiten Stock, schob die angelehnte Wohnungstür auf und verließ damit die spießige Wohlanständigkeit des Hohenfelder Mehrfamilienhauses.
    Die in die Decke eingelassenen Halogenstrahler waren gedimmt, sodass rötliches Licht den Flur nur schwach erleuchtete. Die Wände waren mit rotem und schwarzem Tüll dekoriert, aus dem hinteren Zimmer erklang leise Musik. Peter von Borgo schloss die Augen und sog den Duft von frischer Weiblichkeit und leicht herbem Parfüm in sich ein. Das Klicken hoher, dünner Absätze unterbrach brutal den Geigenklang von Elgars Salut d'amour.
    „Hallo, Cherie, schön, dass du kommst."
    Sie legte ein tiefes Timbre in ihre Stimme, wie immer, wenn sie im Dienst war. Mit wogenden Hüften kam Edith Maas, die sich bei ihren Kunden Ronja nannte, auf den Besucher zu.
    Peter von Borgo warf die nasse Lederjacke achtlos unter die schmiedeeiserne Garderobe und küsste dann die ihm dargebotene
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