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Der Duft der Rose

Der Duft der Rose

Titel: Der Duft der Rose
Autoren: Daria Charon
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Gattin auf Plessis-Fertoc hatte ihr eines der Dienstmädchen aus lauter Mitleid gesagt, wohin sie sich wenden konnte, wenn sie Hilfe in Frauenangelegenheiten brauchte. Denn offensichtlich wurde angenommen, dass sie mit ihrem schwachsinnigen Gatten das Bett teilte. Was jedoch völlig lachhaft war, da Jacques keinerlei sexuelle Bedürfnisse empfand. Glücklicherweise, denn wenn es anders gewesen wäre, hätte Ghislaine nicht jene freundschaftlich-fürsorgliche Beziehung zu ihm aufbauen können, die sie heute verband.
    Die alte Jeanne bewohnte eine Hütte am Waldrand. Obwohl Ghislaine vermutete, dass die Frau mit ihren Diensten im Laufe der Jahre ein Vermögen zusammengetragen haben musste, ließen weder das Äußere des winzigen Holzhauses noch die abgewohnte Einrichtung Rückschlüsse darauf zu.
    Im Zwielicht erkannte sie Jeannes gebückte Gestalt am Herd stehen und in einem Topf rühren. Bei Ghislaines Eintritt drehte sie sich um. »Ah, die Comtesse. Lange nicht gesehen. Habt wohl den Trank aufgebraucht? Wartet, ich bringe Euch ein neues Fläschchen.«
    »Nein, deshalb komme ich nicht.« Ghislaine setzte sich auf einen wackligen Hocker und zog die Röcke eng um sich. Sie fühlte, wie sich unter dem stechenden Blick der alten Frau ihre Stirn mit Schweißperlen überzog.
    »Was ist es dann? Tragt Ihr gar was Junges im Bauch und wollt es loswerden? Da muss ich zuerst wissen ...«
    Ghislaine hob die Hand. »Nein, das ist es nicht.« Sie suchte nach Worten, während die Alte sich wieder dem Herd zuwandte und den Topf beiseiteschob.
    »Der Trank«, begann sie schließlich. »Der Trank, den ich so viele Jahre lang eingenommen habe, hat er etwas in mir ... kaputt gemacht?«
    Jeanne schlurfte durch den Raum und kam mit einem zweiten Hocker zurück. Sie setzte sich Ghislaine gegenüber und griff nach ihren Händen. Erstaunlich sanft sagte sie dann: »Kindchen, was genau willst du wissen?«
    Ghislaine blickte auf die faltigen Hände und hob dann den Kopf. Schon als sie das erste Mal hier gewesen war, hatte Jeanne so ausgesehen wie heute. Dünnes graues Haar, im Nacken zu einem Knoten geschlungen. Über den Wangenknochen spannte sich die Haut wie brüchiges Pergament, und hinter den dünnen Lippen lugten drei bräunliche Zahnstümpfe hervor. Nur die Augen blickten klar und dunkel wie die einer jungen Frau, auch wenn das Wissen darin älter war als die Welt.
    Sie holte tief Atem und hielt sich unbewusst an Jeannes Händen fest. »Kann ich noch ein Kind bekommen? Ein gesundes, kräftiges Kind?« Ihre Stimme zitterte, und sie hörte es. Einen Augenblick lang wollte sie aufspringen und weglaufen, um der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Um nicht mitzuerleben, wie ihr Traum in tausend Stücke zerbrach.
    Jeanne betrachtete sie aufmerksam. »Blutest du regelmäßig? Liegen nicht mehr als fünf Wochen dazwischen und nicht weniger als drei?«
    Ghislaine nickte.
    »Soweit ich weiß, warst du niemals bei mir, um ein Kind loszuwerden. Warst du deswegen bei jemand anderem?«
    »Nein. Es war nicht nötig, ich habe bisher noch nie ein Kind empfangen.« Sie verstand nicht, warum das wichtig war. Schließlich wollte sie wissen, ob sie ein Kind bekommen konnte und nicht ...
    »Gut.« Die Alte drückte Ghislaines Hände. »Dann hast du die gleichen Möglichkeiten, ein Kind zu gebären, wie alle anderen Frauen.«
    »Aber ... ich bin alt«, wagte Ghislaine einzuwenden, da sie dem aufsteigenden Glücksgefühl nicht trauen wollte. »Ich dachte immer ...«
    »Solange du regelmäßige Blutungen hast, ist dein Körper bereit, Leben zu schenken. Erst wenn sie versiegen, versiegt auch deine Fähigkeit, ein Kind zu empfangen. Und zwar endgültig. Alles andere liegt in Gottes Hand.«
    Ghislaine nickte. Die Nachricht erfüllte sie mit wilder, unkontrollierter Freude. Einen Moment lang musste sie die Augen schließen, um das Schwindelgefühl zu bezwingen, das unvermittelt Besitz von ihr ergriff. Am liebsten hätte sie die Alte in die Arme gezogen und vor Dankbarkeit geherzt und geküsst. Stattdessen kramte sie mit zitternden Fingern einen kleinen Lederbeutel aus den Tiefen ihres Mantels. »Das ist für dich, Jeanne. Für deine Hilfe.«
    Die dünnen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das die verfaulten Zahnstummel sehen ließ. »Noch habe ich Euch nicht geholfen.« Trotzdem nahm sie den Beutel und wog ihn in der Hand.
    Ghislaine erhob sich. »Doch, du hast mir geholfen, mehr als ich dir sagen kann.«
    Sie war schon bei der Tür, als sie Jeannes
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