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Der Duft der Rose

Der Duft der Rose

Titel: Der Duft der Rose
Autoren: Daria Charon
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Dinge nicht unnötig zu verkomplizieren.
    »Aber das war es wert«, setzte Vincent hinzu und ließ Henri los, der ein Taschentuch aus seiner Jacke zog, um sich zu säubern. Ein zweites reichte er Vincent.
    Während er ihn betrachtete, kämpfte er mit sich, Schweigen über seinen kürzlich gefassten Entschluss zu bewahren. Vorher musste er mit Ghislaine sprechen und ihre Reaktion kennen. Daran zu denken, wie Vincent das Ganze aufnehmen würde, verbot er sich. Vor allem weil er keine Ahnung hatte, wie er die Botschaft für ihn mildern konnte.
    »Du willst heiraten?« Ghislaines Stimme klang so ungläubig, als hätte ihr Henri soeben gestanden, über Wasser wandeln zu können.
    Das Fest auf La Mimosa war seit zwei Tagen zu Ende, und er hatte die Unterredung mit seiner Schwester so lange aufgeschoben, wie es nur möglich war. Doch da die Lakaien sein Gepäck gerade zu der im Hof bereitstehenden Kutsche brachten, konnte er nicht länger warten.
    »Ja.« Er nickte unbeholfen und holte tief Luft, um fortzufahren. Der durchdringende Blick seiner Schwester erleichterte ihm dieses Vorhaben nicht im Geringsten. »Ich dachte immer, es wäre mir egal, was aus Belletoile wird, wenn ich tot bin«, begann er seine Erklärung. »Aber je älter ich werde, desto mehr verspüre ich die Sehnsucht, dass es jemand erben sollte, in dessen Adern das Blut der Herzöge von Mariasse fließt. Es ist lächerlich sentimental, ich weiß, aber offensichtlich kann ich mich dieser Verpflichtung nicht entziehen. Eine Zeit lang hatte ich ja gehofft, du und Tris ...« Er brach ab, denn Ghislaine zog die Augenbrauen zusammen und presste die Lippen aufeinander. Verdammt, und er hatte gedacht, nach all der Zeit wäre sie endlich darüber hinweg. »Entschuldige.« Er sah sie reumütig an, und sie hob die Schultern. »Wofür? Du hast ja recht. Ich hätte mich von Tris schwängern lassen sollen, statt den Trank der alten Jeanne einzunehmen. Dann wäre mir etwas von ihm geblieben, und du hättest einen Erben, in dessen Adern das Blut der Herzöge von Mariasse fließt, wie du es so poetisch beschrieben hast.« Ihre Stimme klang bitter. »Aber ich war ja überzeugt, auf Jacques Rücksicht nehmen zu müssen. Das Gerede der Leute nicht ertragen zu können.« Sie ging zum Fenster und blickte hinaus. »Feigheit rechnet sich nie.«
    Henri trat neben sie. »Also gibt es ... keine ... Möglichkeit ... für dich ...«
    Sie verstand sofort, was er meinte, und fuhr herum. »Dass ich dir deinen Erben schenken kann? Und wer soll der Vater sein?«
    Henri räusperte sich. »Nun, ich bin sicher, ich könnte etwas arrangieren ...«
    »Oh ja, einen Hengst für mich zu finden, fällt dir bestimmt leichter als eine Frau, die sich von dir als Zuchtstute benutzen lässt.« Ihr Zorn stand greifbar zwischen ihnen, und Henri hob beschwichtigend die Hände. »Ghislaine, bitte, es war nur eine Frage. Vergiss es, es ist mein Problem, und ich werde mich darum kümmern.«
    Er nahm ihre eiskalten Finger. »Verzeih, ich wollte nicht an Dingen rühren, die so schmerzhaft für dich sind.« Das war sein voller Ernst. Sie litt, aber er hatte es nicht bemerkt, obwohl er sich rühmte, alles zu wissen, was in seiner Schwester vorging. Für ihn war das Band zwischen ihnen immer etwas Besonderes gewesen, eine Kraft, die ihn mit sonst niemandem einte.
    In ihren Augen glitzerten Tränen. »Es ist nicht nur ... Tris. Es ist alles, Henri. Mein ganzes verpfuschtes, sinnloses Leben. Es ist zu spät. Sogar wenn du einen ... Mann finden solltest ..., ich bin ...« Sie schlug die Augen nieder und umklammerte seine Hände. Als sie weitersprach, war ihre Stimme kaum hörbar. »Ich bin alt. Mit fast achtunddreißig ist es höchst unwahrscheinlich, dass ich ein Kind empfange. Und ich weiß nicht, ob Jeannes Trank besondere Nachwirkungen hat. Vielleicht gebäre ich ein Monstrum wie ...« Sie hielt abrupt inne. »Nein, er ist kein Monstrum. Er ist eine unschuldige Seele, ein Opfer in einem Spiel, das keiner gewinnen kann. Es ist meine Pflicht, gut für ihn zu sorgen. Wenn ich wenigstens das tue, ist mein Leben vielleicht doch nicht sinnlos.«
    Henri holte tief Luft. Er wollte ihr sagen, dass ihr diese Pflicht aufgebürdet worden war und dass Ghislaine sie mehr als zur Genüge erfüllt hatte. In seinen Augen war sie allein deshalb eine Heilige. Aber wenn es um Jacques ging, handelte Ghislaine immer völlig irrational. Sie beschützte ihn wie eine Löwin ihr Junges, obwohl ihr nur sein Tod ein eigenes Leben schenken
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