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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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ihrem Stuhl angekommen war, hatte Penelope ihre Arbeit wieder zwischen den Fingern und stichelte sich mit der feinen Häkelnadel durch die Maschen. Sie achtete darauf, dass sich der Kragen inseiner ganzen Pracht über ihren Rock breitete, um der Kritik vorzubeugen, dass sie getrödelt hatte. Eine Luftmasche, eine ganze Masche, eine halbe zurück, eine ganze vor … Ihr war immer noch kalt. Heißen Tee gab es erst zum Abschluss des Tages und auch nur, weil Madam Harcotte es genoss, von Reverend Arnold in der Predigt als gottesfürchtige und gutherzige Arbeitgeberin gelobt zu werden – eine, an der man sich ein Beispiel nehmen müsse. War er mit seiner Predigt fertig, senkte sie den Kopf, damit man unter ihrem Hut nicht sah, wie sie selbstgefällig lächelte. Hin und wieder kochte sie an Samstagen eine dünne Hafersuppe, wenn sie fand, dass die Mädchen zu blass aussahen und zu langsam arbeiteten. Der Suppe fehlte jedes Salz, weil das zu teuer war, und nur an Weihnachten zierte mit Zimt vermischter Zucker den Topfinhalt. Trotzdem schaufelten die Häklerinnen ihn schweigend und hastig herunter. Es galt, Mahlzeiten mitzunehmen, wo auch immer sie geboten wurden.
    Penelope mochte dennoch lieber zu Hause essen. In ihren fünfzehn Lebensjahren hatte sie nur wenige Abendmahlzeiten ohne die Gesellschaft ihrer Mutter eingenommen, und sie wusste, dass das bei manchen Freundinnen anders war. Vieles war anders geworden, seit die Welt da draußen nur noch aus dem französischen Kaiser Napoleon und seiner Kontinentalblockade zu bestehen schien, die Großbritannien von der restlichen Welt abtrennte. Die Blockade verteuerte das tägliche Leben und ließ die gefürchtete Armut immer näher rücken. Der französische Kaiser hatte es bis zu diesem Tag im Jahr 1809 beinahe geschafft, ihre Heimat an den Abgrund zu führen. Auf dem Kontinent hatte er eine Schlacht nach der anderen gewonnen, und nun versuchte er, England in die Knie zu zwingen.Er verbot allen Ländern, Handel mit dem britischen Empire zu treiben. Zunächst hatte man sich auf den Straßen Londons noch darüber lustig gemacht. Was wollte so ein kleiner Wichtigtuer denn da verbieten? Doch dann lehrte der kleine Wichtigtuer England Mores, denn seine Zöllner schafften es tatsächlich, den europäischen Handel lahmzulegen.
    In der Folge blühte der Handel im Verborgenen. Der Schmuggel war ein ebenso spannendes wie lebensgefährliches Unterfangen, für das Madam Harcotte umso weniger Verständnis aufbrachte, als sie genau die Waren herstellen ließ, die ursprünglich aus französischer Fertigung stammten und in der vornehmen Welt der Damen heißbegehrt waren: Spitzen für Krägen und Tüchlein – Spitzen so fein wie ein Windhauch.
    Ein ganzes Heer von geschickten Häklerinnen bevölkerte Londons Hinterhofstuben, um die unersättliche Adelswelt mit Waren zu beliefern. Von Tüchern über Schleier bis hin zu ganzen Kleidern und Gardinen reichte das Angebot, doch mancher Edle war der Meinung, nur in Brügge oder Gent gebe es die beste Spitze, und suchte nach Wegen, sie ins Land zu schmuggeln.
    »Und stellt euch vor, da haben sie gestern wieder so einen Schmuggler erwischt«, drang Madam Harcottes Stimme an ihr Ohr. Penelope horchte auf. »Einen von diesen Dreckskerlen, die mir das Geschäft kaputtmachen. Feine Damen sollte er beliefern. Seide führte er in seinen Kisten mit – ein Mann! Und sein Bruder, der angeblich in Jena gefallen war und dessen sterbliche Überreste er ins englische Grab tragen sollte – ha!« Empört stocherte Madam Harcotte mit der Petroleumlampe in der Dunkelheit herum. »Dieser Bruder bestand aus Brügger Klöppelspitze! Der ganze Sarg war mitSpitze vollgestopft, vom toten Bruder keine Spur! Hat man so was je gehört!«
    Keines der Mädchen wagte ein Wort. Man wusste hier nie, ob es willkommen war oder nicht und für welche Reaktion es einen Streich mit dem Rohrstock setzte. Aber sie hörten alle gespannt zu, wie die Geschichte weiterging, während die Madam den Tisch mit ihrer Lampe umrundete.
    »Verhaftet haben sie ihn und seinen gottverdammten Schmugglersarg an Ort und Stelle konfisziert. Hängen soll er, hängen, wie alle anderen Schmuggler und Diebe auch! Aber vielleicht …« Ihre Stimme senkte sich gefährlich, Madam Harcotte war eine eloquente Geschichtenerzählerin. »… vielleicht ergeht es ihm ja auch noch besser. Und sie schicken ihn … sie schicken ihn aufs Schiff! Ha! Dann kann er seine geschmiedeten Fußketten in die Kolonien schmuggeln,
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