Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
Vom Netzwerk:
dass man ihn eines Tages erhören würde.
    »Nur damit du weißt, wo die Reise hingeht«, hatte Mary zum Abschied geraunt und Penelope einen Kuss auf die Stirn gedrückt. Ihren Stolz, die Tochter in ein dennoch so feines Haus vermittelt zu haben, hatte sie kaum verhehlen können.
     
    Die Hausnummer 28 war ein blitzsauberes weißes Eckhaus am Sloane Square. In den gewienerten Kassettenfenstern spiegelte sich die Kastanie auf der Straßenecke, die Fensterbänke glänzten wie frisch gestrichen. Die Treppe zum Dienstboteneingang war sauber gefegt, der Besen, der neben der Tür lehnte, sah aus wie neu. Penelopes Herz klopfte heftig. Ein halbes Ave-Maria lang stand sie vor der Tür und sog den Duft nach gekochten Linsen ein. Als sie sich schließlich endlich überwand, den Türklopfer anzufassen, öffnete sich die Tür wie von selbst.
    Eine magere, hoch aufgeschossene Person stand vor ihr, in blütenweißes, durch keinen einzigen Fleck entstelltes Leinen gekleidet. Die gestärkte weiße Haube thronte auf ihrem Haar wie ein kunstvolles Baiserstück und betonte ihre schwarzen Knopfaugen. Unterhalb des Gesichtes wurde ein riesiger Kropf vom zugeknöpften Kragen eingezwängt.
    »Was bringst du?«, fragte die Hausdame des Hauses 28, die offenbar aus einem ganz anderen Grund die Tür geöffnet hatte, und schaute hochnäsig an Penelopes einfacher Kleidung herab.
    »Ich … ich …«, stammelte Penelope. »Ich wurde … ich bin … meine Mutter schickt …« Sie holte tief Luft und kämpfte ihre Schüchternheit nieder. »Ich soll zum Flicken herkommen. Meine Mutter war die Hebamme –«
    Die Tür schwang weiter auf, und die Hausdame tat einenSchritt zurück, und fast wirkte ihr hageres Gesicht freundlich. »Komm rein, die Arbeit wartet schon!«
    Die Hausdame führte Penelope an der Küche vorbei, wo im Dunst der Kochstelle ein Junge in zwei Kesseln rührte. Im Dienstbotenraum standen Breischüsseln für das Frühstück bereit. Eine schmale Tür verbarg die Wäschekammer wie eine geheime Quelle der Sauberkeit. In stiller Reinheit lagen Tücher und Laken ordentlich gestapelt in weißgestrichenen Regalen. Eines der Mädchen drückte sich neben der Tür gegen die Wand, als die Hausdame den Raum betrat.
    »Das ist von nun an dein Platz. Jane kümmert sich um das Stärken und Plätten. Deine Aufgabe ist das Flicken. Dort in dem Korb ist die Flickwäsche. Und Spitze auszubessern hat die Lady auch, den Korb hole ich dir von oben herunter.« Die Hausdame machte eine kurze Pause und hob den Finger. »Die Lady ist oben. Wir sind hier unten. Du hast oben nichts verloren. Nicht, wenn sie klingelt, nicht, wenn sie ruft. Niemals, hast du mich verstanden?« Ihre Knopfaugen blitzten drohend auf. Dann wies sie Penelope einen Hocker zu, stellte die Petroleumlampe auf den Tisch und nickte. »Also, du kannst anfangen.«
    Penelope seufzte, als die Frau den Raum verlassen hatte. Der Geruch von gewürzter Frühstücksgrütze drang an ihre Nase, sie hörte das Geplapper der Dienstleute, doch niemand lud sie ein, an der Mahlzeit teilzunehmen. Sie gehörte noch nicht dazu, sie musste sich den Brei erst mal verdienen, und die Hausdame hatte ihr gleich gezeigt, dass sie sich dafür würde anstrengen müssen. Flicken war nicht ihre Stärke. Ihre Hände gingen ungeschickt mit der Nadel um, sie stach sich, weil sie den Nähfaden nur schlecht erkennen konnte, und nach ein paar Stunden schmerzten ihre Augen vom Zusammenkneifen.
    Wie viel einfacher das Häkeln doch war! Der Faden gehorchte ihr ebenso willig wie die Häkelnadel, die verlassen in ihrer Tasche wartete, beide würden freiwillig von Schlinge zu Schlinge für sie tanzen und wie von selbst kunstvolle Gebilde erschaffen, Spitzen von duftiger, hauchzarter Leichtigkeit …
    Die Flickwäsche aus grobem Leinen wies ausgefranste Löcher auf. Flicken waren aufzunähen. Die Hausdame hatte nichts gesagt, aber es war klar, dass sie auf keiner Seite eine Nähkante zu sehen wünschte.
    Zum Mittagessen rief man Penelope aus der Kammer heraus. Sie blinzelte ins ungewohnte Tageslicht. Im Kamin des Dienstbotenraums brannte ein nach Fichtenharz duftendes Feuer. Begierig sog sie den Geruch ein, der so ganz anders war als der scharfe Kohlengeruch, den sie von daheim gewöhnt war. Man wies ihr einen Platz an der Tafel an. Viel wurde nicht gesprochen. Drei Jungen, der Kutscher und zwei Mädchen in Penelopes Alter saßen schon am Tisch, schlangen das Essen schweigend und hastig hinunter. Was man im Leib hatte, konnte einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher