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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya
Autoren: Sarah Benedict
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damals einen Gefallen getan, als ich Ane alle Schuld abgenommen habe. Denn nur deshalb konnte sie zu jener leichtsinnigen, oberflächlichen und gierigen Frau werden, die sie heute leider ist.«
    Evelyn half Ili auf die Beine und sagte: »Sie sind schon wieder mittendrin.«
    »Was meinen Sie?«
    »Sie fangen an, sich für alles verantwortlich zu fühlen.«
    »Glauben Sie, Sie können mich noch ändern?«
    »Ich werde viel Zeit haben, das herauszufinden.«

    Ili konnte wieder lachen. Sie schien sich schnell erholt zu haben und stand wieder sicher auf ihren Beinen.
    »Nennen Sie mich meinetwegen schrullig, aber ich brauche jetzt eine Tasse Tee. Kümmern Sie sich bitte um Ane? Sie kann ja schließlich nicht den ganzen Tag auf dem Boden liegen.«
    Evelyn verkniff sich die Frage, was nun mit Ane werden solle, und nickte Ili zu. »Selbstverständlich«, sagte sie.
    Erst, als Ili schon ins Haus gegangen war, fiel Evelyn ein, dass sie vergessen hatte, von Carstens Aktion zu berichten, die das Papayaland retten würde, Ilis Land.
     
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, das Haus zu betreten, das von der ersten Stunde an ihr gehört hatte, und nun, nach mehr als dreißigtausend Tagen, fremden Menschen gehören sollte. Nach wie vor flatterten die Vögel um die Veranda herum, die von Schmetterlingen besuchten Fliederbüsche warfen ihre Schatten auf den Rasen, und das Holz des Papaya-Palastes schien leise wie ein schlafender Riese in der Mittagshitze zu atmen. Gelegentlich knarrte ein Balken, aber das störte die Ruhe nicht.
    »Und doch ist es nicht mehr dasselbe«, murmelte Ili leise vor sich hin. »Nichts wird mehr sein wie früher.«
    Trotzdem hatte sie heute das einzig Richtige getan, davon war sie überzeugt. Aber was würde Evelyn dazu sagen? Und Ane? Und Ben?
    Mit derselben Selbstverständlichkeit wie immer kochte sie Wasser und kramte Kanne und Tassen hervor. Eigentlich war es völlig absurd, in dieser Situation zu tun, als sei nichts geschehen. Ane hatte eine Waffe auf sie gerichtet, Ben hatte sein Land verloren, sie selbst hatte ihr Land verloren, Geheimnisse waren nach Jahren ans Licht gekommen, Entwicklungen eines ganzen Jahrhunderts hatten sich in den letzten Tagen eruptionsartig entladen – und Ili
trank Tee. Aber sie hatte nie anders auf die Katastrophen ihres Lebens reagiert. Sie hatte sich immer hingesetzt, die Verzweiflung überwunden und so getan, als sei die Welt ein schöner Ort. Moana hatte – auch wenn sie das zum Schluss nicht mehr gewollt hatte – einen Sieg davongetragen, den Sieg. Und Ili tat, was sie immer schon getan hatte: Sie umfasste die heiße, dampfende Tasse mit beiden Händen, sah kurz in ihr zuckendes, verschwommenes Spiegelbild und trank in kleinen Schlucken. Sie spülte die Verzweiflung hinunter  – um sie ein paar Stunden später auszuscheiden. Auf diese Art filterte sie das Gute vom Schlechten.
    Als sie aus den Augenwinkeln jemanden im Türrahmen bemerkte, glaubte sie zuerst, es wäre Evelyn. Aber es war Raymond Kettner.
    Er trug khakifarbene Shorts und ein dazu passendes, weit aufgeknöpftes Hemd mit verschwitzten Achseln. Seine Augen fixierten sie aufmerksam und drohend. Alles in allem sah er aus wie ein Großwildjäger.
    »Was wollen Sie?«, fragte Ili.
    »Ich bin Ihretwegen hier, Mrs. Valaisi.«
    Er legte mit unmissverständlicher Ungeduld ein Dokument auf den Tisch und setzte sich, ohne dazu eingeladen worden zu sein, Ili gegenüber.
    »Unterschreiben Sie, bitte. Zweimal. Eine Ausfertigung ist für Sie. Die Bedingungen sind fair. Ich gehöre nicht zu denen, die andere Leute über den Tisch ziehen. Es ist nur zu Ihrem Vorteil, wenn Sie unterschreiben.«
    »Ich denke, es wäre zu meinem größeren Vorteil, wenn Sie jetzt gingen.«
    »Tut mir Leid, Madam, aber eine Alternative steht nicht zur Diskussion. Unterschreiben Sie.«
    »Ich kann nicht unterschreiben.«
    »Es ist ganz einfach. Zwei Worte, und Sie sind reich.«
    »Ich kann nicht! Das Land gehört mir nicht mehr.«

    »Weil es um zwölf Uhr an die Regierung gefallen ist, meinen Sie? Das ist kein Problem. Sehen Sie hier, ich habe den Verkauf auf elf Uhr heute Morgen datiert. Damit umgehen wir die Regierung.«
    »Verstehen Sie doch, ich …«
    »Genug geredet. Nehmen Sie den Stift!«
    Als Ili sich nicht bewegte, spannten sich seine Muskeln an.
    »Sie machen einen Fehler, Madam.«
    »Sie machen einen Fehler, Mr. Kettner, wenn Sie glauben, dass …«
    Er schlug mit der Faust auf den Tisch, und Ili erschrak, dann stand er auf und
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