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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya
Autoren: Sarah Benedict
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Ili.
    Kurz darauf packte Ben sie am Arm und erstarrte. »Nein«, sagte er, »er ist nicht zum Haus gerannt.«
    Nun sah auch Ili es und drehte sich weg.
    Ane schrie auf, und Ili presste den Kopf des Kindes an sich. Sie atmete schwer, und ihr wurde übel. »Das ist … Himmel, Ben. Bring uns weg, bring uns ganz schnell hier weg.«

13
    Samoa, November 2005
     
    »Noch in der Plantage brach Ane völlig zusammen und wimmerte immerzu: ›Das habe ich nicht gewollt‹ und ›Sag es Oma nicht‹«, berichtete Ili. »Ich konnte Ane nicht verraten, ich konnte es einfach nicht, also schüttelte ich eine Erklärung aus dem Ärmel, die Leutnant Malu zufrieden stellen sollte. Ben sträubte sich zunächst, er fand, Ane solle die Verantwortung für ihre Tat übernehmen, das müsse sein. Ich redete jedoch so lange auf ihn ein, bis er mir widerstrebend zustimmte. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, war, dass Moana mich mit der Rohrzange in die Plantage hatte gehen sehen. Atonio war in Wahrheit von einem herabstürzenden Ast erschlagen worden, was Moana natürlich nur als Ausrede von mir betrachtete. Ihre Vorwürfe trafen mich völlig unvorbereitet, aber was hätte ich ihr in diesem Moment antworten sollen? Vielleicht: ›Deine Enkelin wollte gerne nach Australien ziehen und hat deshalb die Plantage in Brand gesteckt‹? Ich konnte vor mir sehen, wie Anes Leben unter der Herrschaft einer rachsüchtigen, vorwurfsvollen Großmutter verlaufen würde. Moana
hätte das Kind schlimmer gequält, als sie je mich gequält hatte. Was für ein seelisch verstümmeltes Wesen wäre dann herangewachsen? Ich dachte nur an eines: Ane hatte ihren Vater nicht absichtlich umgebracht. Sie hatte in ihrer kindlichen Naivität geglaubt, wenn die Plantage erst abgebrannt wäre, würden wir das Land verkaufen und nach Sydney ziehen. Ich konnte nicht zornig auf sie sein. Wirklich, ich habe es versucht, es aber nicht fertig gebracht. Sie hätten sie in jenen Tagen sehen sollen, ein am ganzen Leib schlotterndes Kind mit flimmernden Augen, sprachlos … Es dauerte Wochen, bis sie wieder einen Ton von sich gab. Da hatte Moana mich natürlich schon längst aus Anes Nähe verbannt, zur Mörderin erklärt und vor allen Trauergästen auf dem Friedhof beschimpft.«
    »Man konnte Ihnen glücklicherweise nichts nachweisen«, sagte Evelyn. Ane lag noch immer auf dem Boden, das Gesicht in den Händen vergraben.
    »Hat Leutnant Malu Ihnen von meinem Alibi erzählt? Ja, Ben hat mich vor einem Mordprozess bewahrt, als er unsere verabredete Geschichte gegenüber Leutnant Malu etwas modifizierte. Zeitweise geriet er sogar selbst in Verdacht, glaube ich.«
    »Hätte er Ane weiterhin beschützt, wenn man Sie vor Gericht gebracht hätte?«
    »Nein«, antwortete Ili. »Nein, so weit wäre er Ane zuliebe nicht gegangen, ebenso wenig wie ich zugelassen haben würde, dass man am Ende ihn verurteilt. Aber dieses Problem stellte sich ja nicht.«
    »Ane hätte alles aufklären können. Ein einziges Wort hätte genügt.«
    »Sie bekam schnell mit, dass sie mit dem Brand nicht in Verbindung gebracht worden war«, sagte Ili mit einer Stimme, die unschlüssig schien, ob das eher gut oder eher schlecht war. »Sie musste lediglich schweigen, und niemand
würde ihr je Vorhaltungen machen. Also schwieg sie.«
    »Selbst Ihnen gegenüber?«
    »Selbst mir gegenüber. Sie benutzte Moanas Gebot, sich von mir fern zu halten, als Vorwand, nicht mehr zu mir zu kommen. Dem alten Ben ging sie übrigens auch aus dem Weg, wahrscheinlich unbewusst. Nach und nach verdrängte sie, was geschehen war. Über ihren Vater sprach sie nur selten, ebenso über den 19. Juni, und ich bin mir unsicher, ob sie irgendwann nicht tatsächlich fest daran geglaubt hat, nichts mit dem Brand zu tun zu haben.«
    »Bis zu dem Moment, als Sie sie ohrfeigten und ihr vorwarfen, das Haus in Brand gesteckt zu haben.«
    Ili nickte. »Da ging wohl auch Moana ein Licht auf. Mein überraschender Gefühlsausbruch, mein Verdacht gegen Ane brachte Moana wohl auf den Gedanken, dass ihre Enkelin damals das Feuer in der Plantage gelegt haben könnte und dass ich sie die Jahre über beschützt habe. Sie stellte Ane zur Rede, es kam zur Aussprache, und Moana änderte ihr Testament. Sie muss sehr aufgewühlt gewesen sein. Ihr Herz machte das nicht mit.«
    Ili seufzte gedehnt. »Was Sie mir heute Morgen auf dem Friedhof über falsches Mitleid gesagt haben – damit hatten Sie Recht, Evelyn, und vor Ihnen bereits Ben. Ich habe niemandem
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