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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya
Autoren: Sarah Benedict
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Mannes.
    »Nur eine Perle ist noch größer und schöner«, räumte er ein. »Aber die muss ich für Ane aufheben. Am Tag, bevor
sie entlassen wird, möchte ich ihr einen Heiratsantrag machen.«
    Ili nickte ihm vertrauensvoll zu, doch sie machte sich nichts vor. Ane würde sich nicht von heute auf morgen ändern, nicht alle Träume über Nacht begraben. Aber vielleicht würden die Tage, Wochen und Monate im Gefängnis sie nachdenklich machen, und vielleicht würde Joacino ihr mit der Zeit wieder das nahe bringen können, worauf es im Leben ankam. Nach allem, was Ili über ihn erfahren hatte, war er der Richtige dafür.
    Doch die Unruhe ließ sie nicht los. Anes und Joacinos Schicksal lag außerhalb ihrer Lebensspanne. Für die beiden konnte sie nicht mehr viel tun, sie mussten und würden allein zurechtkommen.
    »Du würdest mir einen großen Gefallen tun«, sagte sie, »wenn du mich möglichst nahe an den Mafane fährst. Ich möchte auf den Gipfel. Aber lass uns bitte kein Aufhebens darum machen. Evelyn und die anderen müssen nichts davon mitbekommen. Kriegst du das hin?«
    »Kein Problem«, sagte er. »Es könnte allerdings ein bisschen holprig werden. Die Stoßdämpfer an meinem Auto sind ziemlich schlecht.«
    »Mach dir darum keine Sorgen, mein Lieber. Im Vergleich zu Bens Wagen fährst du geradezu eine Luxuskarosse.«
    Tatsächlich bemerkte niemand, dass sie fortgingen. Auf versteckten, abenteuerlichen Wegen und Seitenwegen, die immer schmaler und steiler wurden, gelangten sie bis einhundert Meter unterhalb des Gipfels. Dort war mit dem Wagen kein Weiterkommen mehr möglich.
    »Soll ich hier auf Sie warten?«, fragte Joacino, der verstanden hatte, dass sie allein sein wollte.
    Ili streichelte ihm die Wange. »Danke, junger Mann. Das ist sehr lieb.«

    Sie stieg aus, drehte sich aber noch einmal um und sah ihm in die Augen. »Ich liebe Ane«, sagte sie. »Bitte, richte ihr das aus, wenn du sie das nächste Mal siehst.«
    Ohne eine Reaktion abzuwarten, ging Ili davon, tauchte ein in das Grün des Waldes, und bald war sie ganz eins mit der Insel.
    Vor ein paar Wochen noch, am Tag der Schenkung, hatte sie das Gefühl gehabt, das Land sei nicht mehr dasselbe wie zuvor, weil es nicht mehr ihr gehörte, sondern einer fremden Organisation. Nun merkte sie, dass sie sich dieses Gefühl bloß eingebildet hatte, vielleicht weil Menschen nun einmal glauben, der Mittelpunkt von allem zu sein, sogar des Universums. Doch was scherten sich die Vögel um Besitzurkunden? Was machte es den Bäumen aus, ob sich Ili die Eigentümerin nannte oder ein anderer? Das Land gehörte sich selbst, es konnte keinem Menschen gehören. Für das Recht, mit dem Land zu leben, hatten die Menschen die Pflicht, auf das Land zu achten. Es war ein Tausch mit der Natur, ein fairer Handel auf Gegenseitigkeit. Statt Ili passten nun andere auf, dass das Gleichgewicht erhalten blieb, das war alles. Sie war lediglich mit der Zeit gegangen, denn gegen die Zeit kam niemand an.
    Mit dem Land war Ili im Reinen. Trotzdem, auch als sie auf dem Gipfel des Mafane stand, dauerte ihre Anspannung an.
    Sie setzte sich auf den Felsen, auf dem sie schon als Kind gesessen hatte, und fragte sich zum hundertsten Mal, was an ihr nagte. Als sie keine Antwort erhielt, fragte sie den Wind, so wie ihre Mutter hier oben immer mit dem Wind gesprochen hatte. Da bemerkte sie in einer Tasche ihres Kleides den Umschlag, den Evelyn ihr am Morgen gegeben hatte. Er war nicht so weich und biegsam wie normale Briefe, aber auch nicht fest und steif. Sorgfältig, wie ihr aufgetragen worden war, öffnete sie den Umschlag.

    Sie zog ein Papier hervor, eines von mehreren in dem Brief. In Evelyns schöner, geschwungener Handschrift stand da: »Liebe Ili, hier ist die Übersetzung eines Briefes, den ich vor einigen Tagen aus Deutschland erhalten habe:
    Sehr geehrte Frau Braams,
    Sie können sich meine Überraschung vorstellen, als ich Ihre Anfrage erhielt. Wenn ich und meine Familie uns auch ›Grafen von Arnsberg‹ nennen, haben wir uns bisher nicht sehr intensiv mit unseren Vorfahren beschäftigt. Wir besitzen kein Landgut mehr, kein Schloss oder so etwas. Das ist alles kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges bei Kampfhandlungen zerstört worden. Meine Eltern sind schon lange tot. Ich bin Arzt, meine Frau arbeitet in einem Kaufhaus, und unsere Tochter studiert Betriebswirtschaft. Schon daran sehen Sie, dass unsere Verbindung zur Vergangenheit kaum mehr existiert.
    Sie erkundigten sich nach
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