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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya
Autoren: Sarah Benedict
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sagen, das dir nicht gefallen wird.«
    »Wie du meinst …«, sagte sie zögerlich. Eine schlimme Ahnung beschlich sie.
    Zur vereinbarten Zeit legte sie ihr Buch beiseite, auf das sie sich nach Atonios Worten ohnehin nicht mehr hatte konzentrieren können, und verließ den Papaya-Palast durch den Hinterausgang. Sie öffnete den Werkzeugschuppen und holte eine schwere Rohrzange heraus, bevor sie sich auf den Weg zum Treffpunkt machte.

     
    Atonio wartete bereits auf sie. Sein Gesicht war ernst, und Ili dachte daran, wie sehr er sich in den letzten dreißig Jahren verändert hatte. Wo war die Freude geblieben, die er in seiner Jugend ausstrahlte? Wo die Zärtlichkeit, die er Taiata entgegengebracht hatte? Ein völlig anderer Mensch stand vor Ili, als der von jenem Hochzeitstag 1966.
    »Nun«, sagte sie, »da bin ich.«
    Er hockte auf dem Wasserhahn, der einen Meter über dem Boden eine notdürftige Sitzgelegenheit abgab.
    »Wieso hast du eine Rohrzange dabei?«, fragte er.
    »Weil du offenbar nicht der Erste und Einzige bist, der es sich auf der Leitung gemütlich macht. Sie ist verbogen, das Wasser hat keinen richtigen Druck mehr. Wenn wir uns schon an dieser abgelegenen Stelle treffen, soll es auch einen praktischen Nutzen haben. Darf ich?«
    »Ich kann das doch machen.«
    »So etwas schaffe ich noch, auch wenn ich nicht danach aussehe.«
    Er machte ihr Platz und beobachtete, wie sie mühsam das Rohr geradebog. Noch bevor sie damit fertig war, begann er: »Wie bisher kann es nicht weitergehen. Hier ändert sich nichts, das ist ein Fehler. Ich bin fast fünfzig, und was habe ich erreicht? Sieh dir die anderen Pflanzer an, die gehen mit der Zeit, tun was für die Zukunft. Papayas, weißt du, das war vielleicht was fürs Jahr 1914. Dies hier ist jedoch nicht mehr die Welt von damals, Tante Ili, aber du scheinst zu glauben, dass dein Wiegenfest dir näher ist als dein Todestag.«
    Abrupt hielt sie mit ihrer Arbeit inne. »Das ist wohl die geschmackloseste Bemerkung, die mir gegenüber je gemacht wurde, mein Junge. Ich weiß selbst, dass ich nicht mehr jung bin, deswegen muss ich mich aber noch lange nicht jetzt schon von Krähen ausweiden lassen, wie du eine bist. Geht es dir wieder ums Geld, ist es das?«

    »Nein«, sagte er, »diesmal nicht.«
    »Sehr beruhigend. Was also dann?« Etwas hektischer als zuvor hantierte sie an dem Wasserrohr herum.
    »Ich habe mich ein wenig im Dorf nach Alternativen zu den Papayas umgehört. Groß im Kommen ist Kaffee. Sag nicht gleich Nein, Tante. Mit Kaffee kann man so gut wie nichts falsch machen. Er ist schnell angepflanzt, wächst gut, gedeiht prächtig in unserem Klima und hat einen riesigen Absatzmarkt. Stell dir das doch einmal vor: Südsee-Kaffee!« Er gestikulierte mit den Händen, als male er einen Traum in die Luft. »Kaffee aus Samoa. Den werden die Leute wie verrückt kaufen.«
    Sie schüttelte mit dem Kopf. »Das Problem sind nicht die Leute, sondern die Konzerne. Sie werden immer wählerischer und zahlen immer weniger.«
    »Die Preise sind gut«, widersprach er.
    »Jetzt, ja. In fünf Jahren, nein.«
    »Woher willst du das wissen, hm? Hast du irgendwelche Gaben, von denen ich noch nichts weiß?«
    »Dazu muss man kein Prophet sein, Atonio, sondern nur seinen Kopf benutzen. Die Konzerne verleiten in der ganzen Welt die Pflanzer dazu, Kaffee anzubauen. In ein paar Jahren gibt es so viele Bohnen, dass die Kunden sich schon jeden Tag eine Koffeinvergiftung antrinken müssten, um all das Zeug aufzubrauchen. Die Preise werden also stürzen wie ein Wasserfall. Und dann?«
    »Andere sind nicht so pessimistisch. Ben will auch Kaffee anbauen …«
    »Ben«, fiel sie ihm ins Wort, »ist der beste Freund, den ich habe. Genau genommen ist er der einzige Freund. Aber ich würde ihm jederzeit offen ins Gesicht sagen, dass er weniger vom internationalen Nahrungsmarkt versteht als ich.«
    Er schürzte die Lippen. »Ich habe aber schon mit meiner Mutter gesprochen, und sie …«

    »Moana versteht von der Plantage so viel wie ich vom Fußballspielen.«
    »… und sie«, fuhr er zähneknirschend fort, »hat mir das nötige Geld versprochen, das ich brauche. Die Hälfte der Plantage gehört ihr – und damit mir. Mit dem Einverständnis meiner Mutter kann ich tun, was ich für richtig halte, ganz egal, was du davon hältst, Tante. Ich werde die halbe Plantage roden und mit Kaffeesträuchern bepflanzen, ob du dich nun schwarz ärgerst oder nicht.«
    »Bist du übergeschnappt? Unser
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