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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya
Autoren: Sarah Benedict
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große Sicherheiten von ihm haben, aber … Da ist noch etwas anderes, Neil, das Sie wissen sollten. Die samoanische Regierung hält es jetzt vielleicht für lukrativ, mit Kettner Geschäfte zu machen, langfristig aber werden sie bereuen, ihm jemals begegnet zu sein. Für unsere Position hier wäre das äußerst schlecht.«
    Carsten hatte minutenlang wie ein Autoverkäufer argumentiert, während Evelyn auf ihn zuging, ihn umarmte und ihre Wange an seine drückte. »Danke« , hatte sie in sein freies Ohr geflüstert und ihn nicht mehr losgelassen, bis er schloss: »Gut, Neil, rufen Sie ihn an? Fein. Ich werde in der Zwischenzeit noch mal mit der Regierung sprechen. Natürlich, noch heute bekommen Sie einen ausführlichen Bericht. Und kommen Sie trocken nach Hause. Bye, Neil. Bye.«
    Er hatte sie mit einem Blick angesehen, der ausdrückte:
Ich muss völlig verrückt sein, aber ich habe es getan – und geschafft.
    Verlegen wegen ihrer und seiner glänzenden Augen, hatte er seine Hände in die Taschen gesteckt, tief durchgeatmet und gesagt: »Ich muss jetzt dringend nach Apia zur Regierung. Du hast es ja gehört.«
    »Es gibt einen Hubschrauberplatz nahe Salelologa. Von dort bist du im Nu drüben.«
    »Gut. Dann los.«
    Während des Abstiegs und im Wagen auf dem Weg zum Hubschrauber hatte sie sich Carsten so nahe gefühlt wie nie zuvor. Er hatte ihr geholfen, und zwar nicht aus Überzeugung in der Sache, sondern weil er sie liebte; er war über seinen Schatten gesprungen und hatte etwas aufgegeben, was ihm wichtig gewesen war, nämlich seine berufliche Integrität – er hatte für sie gelogen.
     
    Bisher hatte sie ihre kurze Affäre mit Ray Kettner verschwiegen. Natürlich auch, weil sie ihr peinlich war, weil keine Frau so etwas ihrem Mann gerne erzählt. Vor allem aber deshalb, weil sie nicht wollte, dass Carsten sich aus reiner Vergeltung und männlicher Eitelkeit gegen Kettner stellte. Damit hätte sie Carsten zu einem Instrument gemacht, und das wollte sie nicht. Er sollte sich nicht einfach gegen Kettner entscheiden, sondern für sie .
    Und das hatte er getan.
    Danach war sie an der Reihe gewesen. Wenn sie sich für Carsten entscheiden wollte, musste sie ehrlich sein.
    Und so war sie ehrlich gewesen. Nachdem sie den Wagen auf dem grasbewachsenen Parkplatz neben der Hubschrauberstation abgestellt hatte, hatte sie Carsten alles über sich und Ray erzählt. Es war die längste Viertelstunde ihres Lebens gewesen.
    Carsten hatte gar nichts gesagt, nicht, während sie redete,
und nicht, als sie fertig war und schwieg. Sie saßen ein paar Minuten beieinander, den Blick auf die langsam rotierenden Rotorblätter eines alten Hubschraubers geheftet, und dann war er ausgestiegen. Einfach so. Ohne einen Ton. Ohne einen letzten Blick. Ja, er hatte das zweite Wunder wirklich werden lassen und Ilis Land gerettet, und dafür liebte sie ihn noch mehr. Doch er würde nicht auf Samoa bleiben. Was er heute für sie getan hatte und noch tun würde, war sein Abschiedsgeschenk an sie.
    Umgeben von den Farben und Düften des Gartens befielen Evelyn Zweifel. Hatte sie sich in etwas verrannt? War ihre Vorstellung, nur hier den Balsam für ihre Genesung zu finden, übertrieben? Zahlte sie nicht einen zu hohen Preis, wenn sie Carsten verlor? Sollte sie nach Deutschland zurückkehren?
    In der Ferne hallten zwölf Glockenschläge.
    Einer Antwort gleich, peitschte ein Schuss durch die nahe Pflanzung.
     
    Sie rannte zunächst ins Haus, nachdem sie den Schuss gehört hatte. Als sie Ili dort nicht fand, lief sie in die Plantage, irgendwohin, weil sie nicht wusste, aus welcher Richtung der Schuss gekommen war. Darüber, dass sie vielleicht selbst in Gefahr sein könnte, dachte sie nicht nach. Möglicherweise, vermutete sie, war der Schuss gar kein Schuss gewesen, und selbst wenn, konnte Ili ihn abgegeben haben, als eine Art Hilferuf.
    Und was, wenn Ili die Waffe auf sich selbst gerichtet hatte …?
    Dann sah sie ein blauschwarzes Tuch durch die Bäume leuchten, das Tuch, das Ili am Morgen auf der Beerdigung getragen hatte.
    »Ili!«, rief sie, ohne eine Antwort zu bekommen, und kniete sich neben sie.

    Ili saß an einen Stamm gelehnt, die Augen starr.
    »Mein Gott, Ili. Was ist mit Ihnen?«
    »Sie …«, stammelte Ili. »Sie hat es nicht fertig gebracht.«
    Evelyn schickte ein Stoßgebet zum Himmel. »Ein Glück, Sie können sprechen. Ich dachte schon … Aber wovon reden Sie? Wer hat was nicht fertig gebracht?« Evelyn folgte Ilis starrem
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