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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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versuchte sein Bein loszureißen und stieß einen zweiten, überraschten Laut aus, als es ihm nicht gelang. Der Tentakel war kaum dicker als sein kleiner Finger, und Skudder war einer der stärksten Männer, die Charity jemals getroffen hatte. Trotzdem gelang es ihm nicht, sich loszureißen. Kurz entschlossen zog er die Waffe, zielte kurz und durchtrennte den Tentakel mit einem Schuß. Das Wesen zeigte auch diesmal keinerlei Schmerz, aber es reagierte: Mindestens ein halbes Dutzend weitere Tentakel schossen in die Höhe und wickelten sich um Skudders Bein.  Skudder schrie auf, ließ seine Waffe fallen und stürzte hilflos in die Tiefe. Charity fluchte lautlos in sich hinein. Sie hatte die Krone der lebenden Mauer fast erreicht, aber von dort oben konnte sie es nicht wagen, auf die Kreatur zu schießen. Die Gefahr, Skudder zu treffen, war zu groß. Sie sprang. Auf dem stahlharten Boden war der Aufprall härter, als sie erwartet hatte. Statt sich abzurollen und mit dem Schwung ihrer eigenen Bewegung wieder auf die Füße zu kommen, schlitterte sie meterweit davon und prallte mit einer solchen Wucht gegen die Wand, daß sie für eine Sekunde nur tanzende Sterne und Nebel sah. Sie richtete sich auf, keuchte vor Schmerz, als ein rotglühender Pfeil ihren Rücken zu durchbohren schien, und versuchte die blutigen Schleier wegzublinzeln, die vor ihren Augen wogten. Sie betete, daß sie sich nicht ernsthaft verletzt hatte. Ein gebrochenes Bein konnte in ihrer Situation tödlich sein. Nach ein paar Sekunden gelang es ihr immerhin, ihre Waffe zu ziehen und wieder halbwegs deutlich zu sehen. Die zweite Amöbe war näher gekommen, befand sich aber noch dreißig oder vierzig Meter entfernt. Sie schien es immer noch nicht besonders eilig zu haben. »Verdammt noch mal, tu endlich was!« brüllte Skudder. Seine Stimme klang eher wütend als angsterfüllt – und was Charity sah, als sie in seine Richtung blickte, war auch beinahe komisch. Aber auch nur beinahe, und auch nur auf den allerersten Blick: Skudder war halbwegs über die Riesenamöbe gestürzt und versuchte vergebens, sich aus dem Gewirr von Tentakeln und Nesselfäden zu befreien, in das er sich verstrickt hatte. Das Monster war offensichtlich nicht auf eine Beute seiner Größe vorbereitet, denn es versuchte seinerseits vergeblich, den sich heftig wehrenden Körper zu verschlingen. Aber so komisch war die Situation nicht. Das Gewirr aus Fäden und Tentakeln, das Skudder hielt, wurde immer dichter, als wäre die Kreatur in der Lage, sie in beliebiger Menge zu produzieren. Vielleicht konnte sie es tatsächlich. »Halt still!« Charity zielte sorgfältig mit beiden Händen, schoß und drückte gleich darauf noch einmal ab. Die nadeldünnen, gleißenden Strahlen zerschnitten ein Dutzend Tentakeln und hinterließen eine qualmende Spur auf dem Körper der Amöbe. Aber diesmal sah Charity, was sie bisher nur befürchtet hatte: Die abgetrennten Fangarme fielen zu Boden, blieben aber nicht liegen, sondern schienen plötzlich zu eigenem Leben zu erwachen, denn sie krochen blitzschnell auf die Kreatur zu und verschmolzen wieder mit ihr. Gleichzeitig wuchsen aus dem zuckenden Leib neue, peitschende Fangarme, die sich schneller um Skudders Glieder wickelten, als er sich loszureißen vermochte. Charity fluchte, schaltete die Waffe auf Maximalleistung und schoß erneut. Diesmal durchbohrte der Blitz die Kreatur zur Gänze und hinterließ auch noch ein kopfgroßes Loch in der Wand hinter ihr. Gut ein Viertel des gallertartigen Körpers zerfiel zu rauchender schwarzer Schlacke. Der Rest machte ungerührt damit weiter, Skudder einzuwickeln. Charity feuerte erneut. Diesmal schrie Skudder vor Schmerz auf, als eine Woge intensiver Hitze über sein ungeschütztes Gesicht strich, und Charity richtete nicht annähernd so viel Schaden an wie beim erstenmal. Hastig reduzierte sie den Energieausstoß der Waffe wieder, zielte sorgfältig und schoß, zwei-, drei-, vier-, fünfmal hintereinander, bis es ihr endlich gelungen war, Skudder so weit loszuschneiden, daß er sich aus eigener Kraft befreien konnte. Was von der Amöbe übrig war, bewegte sich weiter, jetzt aber deutlich langsamer als zuvor. Skudder kroch auf Händen und Knien auf Charity zu. Er wollte etwas sagen, brachte aber nur ein qualvolles Würgen hervor. Erst jetzt entdeckte Charity die beiden dünnen, blutigen Linien, dies sich um Skudders Hals zogen. Sein Körper war durch den Anzug geschützt gewesen, doch auf der
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