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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Blicken fixieren konnten. Sie nickte knapp. Diesmal erhob sie keine Einwände, als Skudder seine Waffe zog. Dicht nebeneinander drangen sie in einen von haushohen, fleischigen Wänden gebildeten Graben ein. Es wurde allmählich wärmer. Die Luft schmeckte so lebendig, daß Charity das Atmen immer schwerer fiel. Skudder machte plötzlich eine Geste, vorsichtig zu sein. Wieder bewegte sich etwas vor ihnen, und diesmal konnte Charity es deutlicher sehen. Am Ende des Ganges war eine bizarre Kreatur erschienen. Sie war gut doppelt so groß wie ein Schäferhund und schien keine festen Umrisse zu besitzen, sondern befand sich in einer Art ununterbrochen fließender Veränderung, während sie langsam auf Charity und Skudder zuglitt. Ihr Körper bestand aus einer weißen, halb transparenten Masse, in der sich schemenhafte Organe abzeichneten. Dutzende von fadendünnen, peitschenden Tentakeln tasteten die Wände des Grabens zu beiden Seiten ab. Skudder blieb stehen. »Was… ist das?« Seine Stimme klang leicht angeekelt. »Keine Ahnung«, antwortete Charity leise. Die sonderbare Kreatur, die sie jetzt mehr an eine Mischung aus einer Amöbe und einem zu groß geratenen Pantoffeltierchen erinnerte, kam ihr nicht wirklich gefährlich vor. Trotzdem hatte das beharrliche Näherkommen des Wesens etwas Beunruhigendes. »Gehen wir ihm lieber aus dem Weg«, sagte sie.  »Gute Idee.« Skudder drehte sich herum, machte einen halben Schritt und blieb wieder stehen. »Mist!« Hinter ihnen war eine zweite, gleichartige Kreatur aufgetaucht. Sie war ein gutes Stück weiter entfernt als die erste und schien es ebenso wie diese nicht besonders eilig zu haben, näherzukommen. Doch ob eilig oder nicht – sie kam näher. Ihre peitschenden Tentakel füllten den Graben nahezu vollkommen aus. Es gab keine Möglichkeit, an der Kreatur vorbeizukommen. »Das gefällt mir immer weniger«, sagte Skudder. »Denkst du auch, was ich denke?« »Ich denke, daß ich es gar nicht wissen will«, antwortete Charity. Das unangenehme Gefühl, das der Anblick der beiden Kreaturen in ihr auslöste, wurde immer stärker. Als sie sich der Riesenamöbe bis auf zehn Schritte genähert hatten, wurde es zur Gewißheit. Der Boden des Grabens, in dem sie sich befanden, war nicht leer, sondern mit allen möglichen organischen Abfällen und Unrat übersät. Als sie näher kamen, konnten sie erkennen, wie die peitschenden Tentakel des Geschöpfes sich um die Abfälle wickelten und sie in den halbtransparenten Körper hineinzogen. Charity hatte etwas in dieser Art erwartet – und Skudder offenbar auch. »Die Putzkolonne«, sagte er düster. »Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut.« Bevor Charity etwas dagegen tun konnte, hob er seine Waffe, zielte kurz und gab einen einzelnen Schuß ab. Der Energieblitz fuhr in den kriechenden Gallertkörper, brannte einen fast meterlangen, glühenden Kanal hinein und erlosch. Die Amöbe kroch unbeeindruckt weiter. »Das hat keinen Zweck«, sagte Charity. »Das Ding hat wahrscheinlich nicht einmal ein Nervensystem. Du kannst ihm nicht weh tun. Hilf mir!« Sie zog ihre eigene Waffe, zielte auf die gegenüberliegende Wand und feuerte. Der Strahl brannte ein faustgroßes Loch in die braun-rote Haut. Charity zielte ein Stück höher, feuerte noch einmal, und Skudder verstand endlich und schoß seinerseits. Binnen weniger Augenblicke brannten sie eine Anzahl Löcher in die Wand, an denen sie mit einiger Mühe hinaufklettern konnten. »Ladies first.« Skudder machte eine einladende Geste. Charity verschwendete keine Zeit mit Diskussionen, sondern steckte ihre Waffe ein und kletterte an der Wand in die Höhe, so schnell sie konnte. Was nicht besonders schnell war. Ihre Schüsse hatten die Wand so sehr erhitzt, daß sie trotz der isolierenden Handschuhe vor Schmerz die Zähne zusammenbeißen mußte; überdies begann die ganze Wand unter ihrem Gewicht zu zittern und sich zu winden, je höher sie kam. Zwei-, dreimal drohte sie abzurutschen und konnte sich nur mit Mühe festklammern. Skudder folgte ihr, so dicht er konnte, aber auch die unheimliche Kreatur kam immer näher. Ihre zuckenden Tentakel tasteten über jeden Quadratzentimeter des Bodens, entfernten jeden noch so winzigen Fremdkörper und suchten mit fast maschinenhafter Beharrlichkeit weiter. Und dann geschah das, was geschehen mußte: Einer der dünnen, peitschenden Fäden berührte Skudders Fuß und wickelte sich blitzartig darum. Skudder grunzte erschrocken,
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