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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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achselzuckend. »Versuch es doch einmal mit: Sesam öffne dich. Oder gutem Zureden.« »Prima Idee.« Skudder versetzte der Wand einen ärgerlichen Fußtritt. »Geh endlich auf, du blödes Ding!« Die Wand vor ihnen zitterte, faltete sich auseinander und gab den Durchgang frei. Skudder sog ungläubig die Luft ein. »Hoppla«, sagte er. »Wenn das ein Zufall war…« »Versuch es noch einmal«, sagte Charity. »Aber diesmal ohne Fußtritt.« »Schließen!« sagte Skudder. Die Wand schloß sich. Zwei Sekunden später öffnete sich der Durchgang wieder. »Unglaublich«, murmelte Skudder. »Diesmal habe ich es nur gedacht. Dieses Ding muß irgendwie telepathisch sein.« »Vielleicht«, sagte Charity. Sie war nicht sicher, ob ihr diese Erkenntnis gefiel. Wenn ihre Umgebung auf ihre bloßen Gedanken reagierte, machte dies zwar einiges leichter – aber letztendlich galt das natürlich auch für ihre Gegner. Sie würden keine besonderen Schwierigkeiten haben, sie aufzuspüren. Sie traten hintereinander durch die Öffnung. Charity senkte die Hand auf ihre Waffe und schaute sich aufmerksam um. Ihre Umgebung war unheimlich, jedenfalls auf den ersten Blick, aber offenbar nicht gefährlich. Vor ihnen lag ein unregelmäßig geformter, leicht nach oben geneigter Stollen, der von dem gleichen, düster-roten Licht erfüllt war wie der Hangar. Hier und da zweigten andere, unterschiedlich große Tunnel ab, einige aus den Wänden, andere aber auch aus der Decke und dem Boden. Hätte Charity noch irgendwelche Zweifel gehabt, wo sie sich wirklich befanden, hätte allein der Anblick dieses Stollens sie beseitigt. Kein vernunftbegabtes Wesen, dem das Wort Logik etwas sagte, würde so etwas konstruieren. Langsam bewegten sie sich weiter. Charity blieb dann und wann stehen, um einen Blick in einen der anderen Tunnel zu werfen, ohne jedoch irgend etwas Interessantes zu entdecken: Die Wände bestanden aus dem gleichen, braun-roten Material wie die des Hangars, das sich über eine gerippte Struktur von wahrhaft zyklopischen Dimensionen spannte. Sie sahen nicht das geringste Anzeichen von Leben. Nirgends rührte sich etwas. Manchmal glaubte Charity so etwas wie ein sachtes Beben zu spüren, das durch den Boden unter ihren Füßen lief; wie das Echo eines gigantischen, unendlich langsam schlagenden Herzens. Aber nicht einmal dessen war sie sich ganz sicher. Sie marschierten eine viertel Stunde, dann weitere zehn Minuten, und schließlich sagte Skudder: »Bist du immer noch der Ansicht, daß wir auf so einer Art Schrotthaufen gelandet sind?« »Das war deine Idee«, erinnerte Charity. »Ich überlege nur«, fuhr Skudder fort. »Wenn du dich entschließen solltest, in so einem Ding zu wohnen – wo würdest du deinen Müll lagern? Direkt vor deiner Haustür, oder möglichst weit weg davon?« »Hör auf damit«, sagte Charity düster. »Oder ich rechne dir den Rauminhalt einer zwanzig Meilen durchmessenden Kugel aus.« »Das kannst du nicht im Kopf«, behauptete Skudder. Damit hatte er sogar recht. Aber Charity schätzte, daß sie den Rest ihres Lebens durch diese unheimlichen Stollen marschieren konnten, ohne ihrem Ziel auch nur nahe zu kommen. Sie schaute auf die Uhr. Alles in allem waren sie jetzt seit zwei Stunden in ihren Anzügen. Ein Viertel ihres Sauerstoffvorrates war verbraucht. Sie mußten irgend etwas unternehmen. Es hatte keinen Sinn, ziellos dieser sonderbaren Aorta zu folgen, die das bizarre Gebilde möglicherweise von einem Ende zum anderen durchzog. Sie waren bereits an etlichen der organischen Türen vorübergekommen, ohne sie zu beachten. Jetzt steuerte Charity gezielt die nächste Abzweigung an, blieb davor stehen und konzentrierte sich eine Sekunde lang darauf, sie zu öffnen. Es funktionierte. Die Wand faltete sich lautlos vor ihnen auseinander, und Charity und Skudder traten hintereinander durch die Öffnung. Vor ihnen lag kein weiterer, endloser Gang, wie Charity schon halbwegs befürchtet hatte, sondern eine vielleicht zehn Meter durchmessende, runde Kammer mit einer weiteren Tür. Während sich der Durchgang hinter ihnen schloß, trat Charity darauf zu und befahl ihr in Gedanken, sich zu öffnen. Nichts geschah. Charity versuchte es noch einmal, hatte auch beim zweiten Mal keinen Erfolg und bat Skudder mit einer Geste, ihr zu helfen. Das Ergebnis war das gleiche. Skudder starrte die geschlossene Tür einige Sekunden lang wortlos an, dann drehte er sich um und versuchte es an der Tür, durch die
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