Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg
Autoren: J. F. Dam
Vom Netzwerk:
Verbesserung der medizinischen Versorgung u.dgl., sondern ausschließlich mit neuen, biochemisch wirksamen Substanzen erreicht werden. Wo aber sind diese revolutionären Stoffe zu finden? Gibt es Hoffnung auf sie? Kann das mysterium enthüllt werden? Die Forschung hinkt hier der Zivilisation hinterher, und die Augen der Forscher wenden sich gegenwärtig von ihren Laboren ab und Gottes Großem Labor zu, dem regnum plantae , diesem gigantischen pharmakologischen Versuchsfeld …
    Â 
    Horst Maettgen hat diesen Vortrag im vergangenen Oktober gehalten, in London, am Eröffnungsabend der 7th Annual AROGA -Conference . Ich wundere mich über einen Zellbiologen, der mutig genug ist, auf einer wissenschaftlichen Zusammenkunft die Worte Gott und mysterium im Mund zu führen und von seinem Großen Labor zu sprechen. Ich klappe das Notebook zu. Dann verziehe ich mich auf mein Zimmer und träufle Cortisonlösung in die Augenwinkel, um die aufflammende Entzündung zu dämpfen. Dazu schlucke ich ein Schmerzmittel. Schließlich lege ich mich in Schuhen auf das Bett, schließe wieder meine Augen und entspanne sie, indem ich die Handflächen auf sie lege. Erst eine halbe Stunde später setze ich mich in Bewegung.

 
    Â 
    Â 
    ERBARMUNGSLOSER WALD . Überallhin dreißig Kilometer weit gestreckt, nach Norden wohl mehr als hundert; Fichtenarmeen mit Flechtengehänge, Blaubeermeere und Föhrengesprenkel, Letztere sehr hoch; hin und wieder auch eine silbrige Tannengruppe, dann eine scheue Eschenfamilie, silva sine fine und fast ohne Atempausen (wenn man Freiburg, Baden-Baden, Calw!, Freudenstadt, hundertfünfzig Dörfer und eine Handvoll kleiner Städtchen gnädigst subtrahiert); dieser Wald ist, notwendigerweise, auf manche Art grün, meist jedoch fichtendunkelgrün, die Seen sind schlammbraun und die Pfade, über die ich vor einer Stunde gegangen bin, sind finster und voll zwielichtiger Gefühle. Unter mir liegen an diesem kühlen, bewölkten Mittag kilometerdick Gneis und Granit, und nur eines ist dieser gigantische Wald nicht: schwarz.
    Verenge ich meinen Blick aber auf das gegenwärtig Sichtbare, sehe ich unmittelbar um mich bloß dichtes, dürres Riedgras. Ich lungere auf meiner alten Schafwolldecke, während neben mir ein Jägerhochstand seinen Kopf in die Nachmittagsluft reckt. Müßig starre ich hinab auf den See. Spiegelglatt und dunkel liegt er in der spärlichen Sonne. Am besiedelten Nordufer des Sees, unweit einer Staumauer, die dort steil in den Wald abfallen muss, zieht sich der Ort Schluchsee hin, mit seinen Schwarzwaldhotels, Kurhäusern und den Krüppelwalmdächern. Dahinter ein paar Souvenirläden. Und weiter oben am Wiesenhang, keine hundert Meter von mir entfernt: die Maettgen’sche Villa.
    Nach meiner Ankunft habe ich in einem Hotel sogleich nach dem Haus von Professor Maettgen gefragt und Minuten später an Maettgens Tür geklingelt. Ohne Erfolg. Maettgen war nicht da oder versteckte sich hinter den Gardinen. Dann besorgte ich mir an einer Tankstelle eine gute Wanderkarte und fuhr ein paar Kilometer weg vom See, weiter hinauf in die Hügel, in ein lose daliegendes Dorf namens Fischbach. Ich bin jetzt im Landhotel Zum Goldenen Hirschen einquartiert; mein Wagen steht auf dem Parkplatz an der Straße.
    Maettgens Villa , sie wird hier tatsächlich so genannt, befindet sich nahe dem Ende einer kleinen, abgelegenen Sackgasse. Oberhalb gibt es nur noch ein einziges Haus, und dann der Wald. Hinter der Villa, an der mir zugewandten Seite, darbt ein alter, nur notdürftig gepflegter Garten vor sich hin, mit Hainbuchenhecken, einer großen Linde und langarmigen Eibenbüschen, zwischen denen verschmutzte Kieswege laufen. Eine Gruppe alter Schwarzföhren steht stramm als Abschluss zum Hang. An den Garten schließt sich eine braunrote Terrakotta-Terrasse, die von der Villa durch mehrere Türen mit braun gestrichenen Lamellenläden zugänglich ist. Sie sind allesamt geschlossen. Gestern noch war Maettgen da, und heute diese Leere.
    Den ganzen Tag fährt kein Wagen vor, niemand öffnet ein Fenster. Niemand geht zu der Mülltonne, die an einer Hecke hinter dem Haus steht. Und folgerichtig gehen, als es dunkel wird, auch keine Lichter an. Dafür aber wird es empfindlich kalt. Ich wette mit mir selbst, dass Horst Maettgen demnächst noch zurückkommt, halte den Einsatz aber niedrig. Und dazu hoffe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher