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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg
Autoren: J. F. Dam
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Publikationsliste von Professor Maettgen ausdrucken«, sage ich, so süß ich kann, »im Internet habe ich keine auftreiben können. Ich interessiere mich als Geophysiker« – die Geophysik ist die biedere Zwillingsschwester der Meteorologie, und ich gebe mir Mühe, es wie Biophysiker klingen zu lassen – »in meinen Forschungsprojekten besonders für Asien, und für die Biodiversität in den betroffenen Ländern.«
    Rehauge kühlt schneller ab als der Golfstrom, wenn er auf die arktischen Gewässer trifft. Die Worte Biodiversität und Asien haben angeschlagen. Sie sind von Funden inspiriert, die ich im Netz unter dem Begriff Maettgen gemacht habe. Und es gibt eine Liste, tatsächlich, auf der Website des Instituts.
    Rehauge hat jetzt genug und steht auf. Sie wendet sich einem Schrank mit Unterlagen zu, was sie aber nicht schafft, ohne mit einigen Körperteilen für die bloße Fortbewegung entbehrliche Bewegungen zu vollführen. Vielleicht nur, um ganz deutlich zu machen, was ich da eben verspielt habe.
    Ich räume das Schlachtfeld, drehe auf dem Absatz um und gehe mit einem kaum hörbaren Gruß durch die Tür. Rehauges Lüge macht wohl eine Fahrt in den Schwarzwald notwendig. Und ich hätte gerne gewusst, wie die Dame zu ihrem Professor steht. Auf einem Foto, am Vortag gefunden, erscheint Maettgen als ein etwas skurriler Mann von sechzig Jahren mit dicker, leicht geröteter Nase, geschwollenen Tränensäcken und breit aufgeblasenem Gesicht. Dazu fette Lippen und ein Haarkranz um das fast kahle Haupt. Nicht notwendig Rehauges sexueller Traumpartner.
    Â 
    Nördlich von Heidelberg, in einem kleinen Stadthotel in Neckargemünd, nehme ich mir ein Zimmer. Dort begebe ich mich auf die Suche nach einer Telefonnummer Maettgens in Schluchsee. Ich statte der Website des Schützenvereins einen Besuch ab und nach wenigen Minuten habe ich mit einer Festnetznummer den endgültigen Beweis für den Zweitwohnsitz Maettgens. Leute wollen ihre Telefonnummer nicht jedem sagen, doch gibt es andere, die sie aller Welt verkünden. Sogleich rufe ich an.
    Â»Maettgen«, sagt eine tiefe Stimme. Sie klingt müde, sie klingt auch überrascht. Vielleicht überrascht darüber, auf eine unbekannte österreichische Nummer geantwortet zu haben.
    Ich zögere ein oder zwei Sekunden lang. In dieses Zögern hinein legt Maettgen auf. Ich rufe sogleich wieder an, Maettgen hebt aber nicht mehr ab. Auch beim dritten Versuch nicht. Jetzt habe ich aber ein festes Programm für den nächsten Tag.
    Ich verlasse das Hotel und nehme in einem Fischrestaurant ein Abendessen zu mir. Dann trotte ich hinunter zum Neckarufer, an eine einsame Stelle hinter der Kirche, und lasse mich dort in der Dunkelheit auf einem Steinpoller nieder. Da sind Fragen zu klären. Zum Beispiel, was zu tun ist, wenn ich Maettgen morgen in Schluchsee nicht mehr antreffe. Oder er mir die Tür vor der Nase zuschlägt.
    Ich sitze gerne allein in Dunkelheiten und starre in Nächte hinaus. Die Dunkelheit ist ein weites Feld. In der Dunkelheit werden die Gedanken lauter und klarer, man kann Dinge verstehen.
    Â 
    Â»Prinz.« Maggie spricht laut aus der Küche ihrer Wohnung, die sie auch während ihrer sechsjährigen Höllenfahrt von Ehe nicht aufgegeben hat. Ich höre das Klackern von Eiswürfeln, dann eine Pause.
    Â»Zu Diensten.«
    Â»Du musst mir sagen, was du denkst.«
    Â»Worüber denn?«
    Â»Christian und mich.« Bei diesen Worten kommt Maggie mit zwei Gläsern durch die Tür. Sie sieht seltsam aus, hat das Haar zurückgebunden; vielleicht hat sie geweint. »Du bist doch mein Freund. Du weißt, was zu tun ist.«
    Â»Scheidung?«, sage ich.
    Maggie hebt ihr Glas ein paar Zoll und schließt die Augen. Maggie trug stets Kostümsets und im Sommer Seidenblusen, eine stolze Frau, die eine kleine Agentur für Schauspieler leitete, jetzt aber zittert sie und legt ihren Kopf kraftlos auf die Seite. »Auf alle Dinge, die enden.«
    Ich war wie überrumpelt von der Erkenntnis, dass jemand wie Maggie sich vor der Zukunft fürchtete.
    Â»Spring«, sage ich und nehme ihre Hand. »Ich werde dort sein, wo du mich haben willst.«
    Â 
    Ãœber dem träge schwebenden Fluss und den lichtlosen Hügeln des Neckartals liegt der Mond. Es gibt Leute, für die ist der Mond ein schönes, melancholisches Licht. An diesem Abend kann ich
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