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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg
Autoren: J. F. Dam
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auf welche der Einbrecher mich stößt.
    Auf dem Boden meines Wohnzimmers liegt ein Brief, den ich am Vortag erhalten und noch nicht geöffnet habe. Ich hebe ihn auf und sehe, dass der Brief von dem Eindringling halb aufgerissen worden ist. In dem Umschlag steckt eine Broschüre. Werbeprospekt über San Felice del Benaco. San Felice del Benaco. Ein kleiner Ort am Westufer des Gardasees. Und Maggie, Christian und ich haben dort vor zwei Jahren ein Wochenende verbracht. Ich besehe mir den Umschlag näher. Auf der Rückseite befinden sich mit Bleistift hauchdünn aufgetragene Worte, in Maggies Handschrift:
    Â 
    eternal friendship, Maggie

 
    Â 
    Â 
    MEINE GEDANKEN sind adrenalinverseucht, dabei fett und irgendwie träge. Erstarrt stehe ich mitten im Raum, den Briefumschlag in der einen, den Gardaseeprospekt in der anderen Hand. Ich halte den Atem an und gehe drei Schritte vor, drei zurück. Dann noch einmal. Ich weiß, dass damals am Gardasee etwas getan oder gesagt worden sein muss, das einen Schlüssel zu den Ereignissen dieses Tages darstellt. Oder Maggie hat das vermutet. Oder sie hat bloß eine Spur legen wollen. Aber ich weiß nicht, was und wozu und wohin.
    Ich sollte wohl etwas tun. Das Dröhnen in meinem Kopf lässt nach. Ich denke daran, Fiala anzurufen, gehe dann aber bloß zu meinem Schreibtisch und greife mir das Notebook. Ich lasse mich wieder in mein Ledersofa fallen.
    Ich klappe das Notebook auf und stelle fest, dass es läuft, obwohl ich es doch runtergefahren habe. Ich werfe einen Blick auf meine Mails. Vielleicht deshalb, weil der Eindringling in ihnen rumgestöbert hat. Der Ordner mit den gesendeten Mails ist geöffnet. Und ich frage mich, ob der dunkle Kerl gefunden hat, weshalb er gekommen ist. Ein Dieb ist er nicht. Mein Portemonnaie liegt auf meinem Schreibtisch, die Kreditkarte steckt darin, und das Einzige von Wert in meiner Wohnung, ein in seinem Feuerkranz tanzender, bronzener Shiva Nataraja aus dem dreizehnten Jahrhundert, steht unberührt und entrückt auf seiner Konsole.
    Ich bin jetzt klar im Kopf, spule alle Möglichkeiten durch. Ich erstelle eine Liste, streiche und korrigiere. Es bleibt dabei: Irgendjemand (mit diesem Indefinitivpronomen werde ich mich vorerst wohl abfinden müssen) trachtet danach, herauszufinden, ob ich etwas weiß.

 
    Â 
    Â 
    ES GIBT SUBTROPISCHE HOCHDRUCKSYSTEME , die sich in solch solider Ordnung über einem Kontinent festsetzen, dass sie alles unter sich versengen. Erst wenn Zyklone wie gierige Bestien über diese Systeme herfallen, kehrt das Leben zurück, oder ein anderer Tod.
    Es ist eine halbe Stunde später und ich sitze aufgewühlt in meinem Wagen. Vor der Motorhaube schießt die Autobahn durch eine tunnelförmige Nacht. Kurz zuvor habe ich gepackt und bin in die Tiefgarage zu meinem Wagen gelaufen. Und jetzt habe ich mich aus meiner Erstarrung gelöst und fühle mich fast wieder gut.
    In meinem Gehirn jagen die Gedanken durcheinander wie Kugeln auf einem Pooltisch. Ich fange an, mich für den weinerlichen Portweinabend zu schämen. Und ich habe kapiert; ich habe kapiert, dass dieses letzte Telefongespräch mit Maggie und ihre Gardasee-Botschaft, ganz gleich was sie darin mitteilen wollte, mir zuraunen:
    Du hast einen Auftrag, Prinz.
    Du hast zu tun.
    Steh auf, du bist viele verdammte Stunden in Verzug.
    Also fahre ich durch den Nachttunnel; auch wenn ich nicht so recht weiß, wohin. Ich habe nicht einmal eine Hypothese, kein Gerüst erster Denkbarkeiten. Dieser Maettgen in Heidelberg ist meine einzige, dürre Spur, wenn man die Annahme vertritt (und mangels Alternativen vertrete ich sie vehement), dass Maggies Tod und Christians Verschwinden in Zusammenhang stehen.
    Bald meldet sich die Müdigkeit zurück. Ich drossle meine überhöhte Geschwindigkeit und öffne das Wagenfenster. Kalter Regen fährt mir augenblicklich ins Gesicht. Aus dem Nichts schießt er hervor und existiert nur für mich in dieser Nacht. Woher er kommt, herrscht vollkommene Dunkelheit. Es ist eine eisnasse Finsternis, die mich für wenige Augenblicke mit einem entlegenen Ort verbindet.
    Bloß bewehrt mit Taschenlampen, mit der Kletterausrüstung, Saugnäpfen, Farbe und Pinseln, werden wir auf der Age of Reason von einem Regenguss überrascht, genau in den schutzlosen Minuten, als wir das Schlauchboot zu Wasser lassen. In das Wasser des fünfundfünfzigsten
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