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Der dritte Berg

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg
Autoren: J.F. Dam
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Eintragungen in sein letztes Notizbuch angefügt werden. Ich enthalte mich jeden Kommentars zu diesen Texten.

    Sie haben die Macht der Zeit zerschmettert …
    (Hathayogapradīpikā 1,9)

    …

    (Der Informant) *** unterscheidet sich deutlich von Mönchen und Asketen in der Gangesebene und in den anderen Bergregionen. Keine Asche auf dem Körper oder im Gesicht, kein Lendentuch, kein ockerfarbenes oder rotes Gewand. Einfach ein simples Tuch, wie ein Dhoti um die Hüfte gebunden, und darüber ein grobleinenes Hemd. Beides farblos. Fast hätte er einen armen Tempelpriester in Varanasi abgeben können. Und das Haar – nicht lang, auch nicht verfilzt, es war gewaschen und dunkelgrau. Die Träger kriechen dem Meister sofort zu Füßen. Folge ihrem Beispiel; es ist ja nicht das erste Mal, dass ich für die Wissenschaft zu Kreuze krieche. Selbst Mukherjee und Maettgen geben sich Mühe. Der Informant beeindruckte mich – er empfing diese Hommage, als würden wir die Berge verehren oder den Boden nach seltenen Steinen absuchen. Da war kein Stolz, keine Genugtuung. Er war nicht einmal böse auf uns. Immerhin hatten wir sein Versteck »enttarnt«.

    …

    Denke darüber nach, wie Generationen von Suchern unterwegs waren auf der Suche nach dem, was ich hier so leichtfüßig vor mir habe. Vielleicht haben es einige sogar bis an diesen Ort geschafft. Die Legenden vom Jungbrunnen, vom Quell des Lebens, und wie sie alle heißen mögen, sind himmelerbarmender Schwachsinn. Alle haben sie hier gebadet, bis ihnen die Haut von den Knochen moderte, sie haben kaum trinkbares Wasser getrunken und sich die Ruhr verdient, mit der sie von hier abgezogen sind. Und die wahre Quelle, sie findet sich nicht im heißen Wasser, sie ist in einer chemischen Formel verborgen, in den Molekülen einer Pflanze …

    …

    Führe mich heute Morgen auf wie in einem Verhör, geschickt plazierte Fragen, Schmeicheleien dazwischen, Unwichtiges, dann ein Angriff. Der Informant lässt mich eine geschlagene Stunde lang reden. Der Kanchanjanghā steckt währenddessen in einem kegelförmigen, oben abgeflachten Turm aus Wolken. Schließlich fängt er an zu sprechen. Die ersten Antworten schon überzeugen mich. Und dann sieht er mich blitzschnell an und bricht in schallendes Gelächter aus. Die Rhododendren hinter uns und der riesige Deodarbaum dort unten schütteln sich in diesem unverschämten Lachen. Mir kommt vor, die Südausläufer des Kanchanjanghā leuchten auf. Weiß. Eisig. Der ganze östliche Himalaya, hinüber bis zu Sagarmatha, er vibriert vor mir. Der Namenlose zieht Wörter aus meinem Monolog hervor, wendet sie vor seinem inneren Auge – und belacht sie. Nach einer Weile weiß ich, dass er am Ende nachgeben wird. Und deshalb lasse ich ihm sein Gelächter. Doch noch lacht er meine Worte den Kanchanjanghā hinauf, der sich jetzt aus seiner Wolkenhaube befreit – sie ist von dem Gelächter wie weggeblasen; er lacht alles in die unzugänglichen Dschungeltäler hinein und die vielen Jahrhunderte hinu–
    (Hier bricht der Text mitten im Wort ab.)

    *** Einfügungen bzw. Bemerkungen in Klammer: der Herausgeber (BR).

ANHANG II: KANDIDATEN FÜR SOMA

    Im Folgenden wird noch der unfertige Anhang von Christian Fusts ebenfalls unfertigem Artikel über Soma wiedergegeben, den er diesem Artikel beigefügt hatte, ohne ihn einen Anhang zu nennen. Er trägt keine formelle Überschrift. Es handelt sich dabei um eine einfache Pflanzenliste mit einigen handschriftlichen Bemerkungen Christian Fusts.
    Auch dies: kommentarlos (jedoch: schlafraubend).

    Liste von Pflanzen, die als Kandidaten für Soma gelten können; einiges bloße, falsche Mutmaßung, anderes Ergebnis neuerer Forschung.

    EPHEDRA GERARDIANA . Meerträubel (zoroastrisch Hum ); enthält Ephedrin, Norephedrin u.Ä.; giftig, stimulierend, ähnlich Adrenalin und Amphetaminen. Vorkommen: Iran, Zentralasien.
    AMANITA MUSCARIA . Fliegenpilz; enthält Ibotensäure, Muscarin u.a.; giftig, halluzinogen. Vorkommen: gemäßigte und kalte Zonen.
    PEGANUM HARMALA . Harmelraute; enthält diverse beta-Karbolinalkaloide (Harmalin, Harmin); giftig, stimulierend, MAO -Hemmer. Vorkommen: Vorderer Orient, Nordafrika, Zentralasien(?).
    ACONITUM BALFOURII. … Eisenhut, aus der Familie der Ranunculaceae; enthält …; hochgiftig, medizinische Eigenschaften (analgetisch, antirheumatisch etc.). Vorkommen: alpine Zonen Nepals, Tibet.
    (Siehe auch Aconitum ferox – Bikh.)
    FUSTIANA SEDOIDES AURATA. Goldrote Nelkenwurz (aus der
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