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Der dritte Berg

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg
Autoren: J.F. Dam
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heraus, dass alles von Christians Expedition stammte. Die Diktafone gehörten Maettgen und Mukherjee, das Notizbuch war Christians.
    Noch in N hörte ich die digitalen Aufnahmen ab und las Christians Eintragungen der vergangenen Tage. Der Träger erzählte, wusste jedoch nichts vom Verbleib der anderen Expeditionsteilnehmer zu berichten. Zwischendurch wurde er von heftigen Fieberanfällen und von Husten geschüttelt. Es war bei diesem Wetter unmöglich, ihn mit dem beschädigten Wagen auf der Schotterstraße nach Mangan zu bringen. Und unser Satellitentelefon funktionierte unter dieser schweren Bewölkung nicht. Wir hatten daher bloß ein Extrakt aus Weidenrinde, schmerzstillende Mittel und eine Salbe. Keinerlei wirksame Antibiotika. Ein Lepcha-Schamane bereitete einen Kräuterabsud zu und die Frauen machten Umschläge und wachten am Lager des Trägers. Am Abend des nächsten Tages starb der Mann an einer Lungenentzündung.

    Als das Wetter sich besserte und man eine notdürftige Reparatur vorgenommen hatte, fuhren wir in Schmithausens Jeep alle zurück zum Dorf Hemans, wo wir die Polizei verständigten. Es war eine halsbrecherische Fahrt; die Schotterstraße war an vielen Stellen vom Regen zerstört, Hänge waren abgerutscht, wir mussten schaufeln. Dann ging es mit unserem eigenen Wagen nach Gangtok. Keiner von uns hatte Hoffnung, Christian und seine Leute könnten noch am Leben sein. Während dieser ganzen Fahrten versuchte ich vergeblich, Trauer in Sophias Gesicht zu entdecken.
    In Gangtok übernachteten wir und reisten dann weiter nach Kalonagar. Man peilte Mukherjees Satellitentelefon an, und als der Regen nachließ, machte sich die indische Armee mit einem Helikoptersuchtrupp auf die Suche nach den Männern. Die geborgenen Leichen brachte man zur gerichtsmedizinischen Untersuchung nach New Delhi. Der Name Mukherjee hatte die höchsten Stellen aufgescheucht. In allen Zeitungen konnte man davon lesen.
    Und die ganze Zeit über machte sich niemand Gedanken um den Mann, der Christian geführt hatte, den Mann, den Christian und seine Partner den Informanten genannt hatten. Den Mann, der ihnen allen überlegen war.
    Von dem Tal erzählten wir niemandem. Selbst der indische Staatsschutz (den man eingeschaltet hatte und mit dem Sophia und ich ausführlich sprechen mussten) interessierte sich dafür nicht und stellte diesbezüglich keine besonderen Fragen. Von den Unterlagen, Karten und Datenträgern, die Christian in Dasguptas Arbeitszimmer an sich genommen hatte, hatte man offenbar nichts gefunden.
    Niemandem galt Christian als der Mörder Dasguptas. Ich verlor kein Wort darüber. Nur Sophia wusste von meinen Erlebnissen am geografischen Forschungsinstitut Dasguptas. Dasguptas Todesfall war nur eine der vielen Tragödien während der Brände in Kalonagar und niemand kam auf den Gedanken, eine Obduktion seiner Leiche vorzunehmen. Mir lag nichts daran, die Dinge richtigzustellen. Abgesehen von der Möglichkeit, jemand anderer, vielleicht Christians Fahrer, hätte Dasgupta ermordet. Ich selber fürchtete ja noch viel Schlimmeres. Deshalb Atropa belladonna . Maggies Todesgift. Es war tatsächlich eine Nachricht und eine Entschuldigung. Unabwendbar, schicksalhaft, ατροπος . Bei Christian war niemals etwas Zufall, alles trug Bedeutung. Maggie musste sich gegen ihn gestellt haben.
    Von Christians Notizbüchern besitze ich jenes letzte, das der fiebernde Träger nach N gebracht hatte, noch immer. Ich habe es dem indischen Staatsschutz niemals ausgehändigt. Weitere Unterlagen gelangten dann auf offiziellem Weg in meine Hände: Abschriften von den Diktafonen (die man erstellte), Kopien von anderen Notizbüchern Christians sowie ein unfertiger Artikel über Soma, den Christian verfasst, aber nicht veröffentlich hatte.
    Maettgens Aufzeichnungen, die spärlich sind und sich ohnehin meist mit Ángela Ruiz-Martín beschäftigen (Rehauge, die Kalonagar schon vor Beginn der Expedition in Richtung Deutschland verlassen hatte, gibt an, nichts Genaues über das Vorhaben der drei gewusst zu haben), sprechen mehrmals von den von Dasgupta im Jahre 1979 mitgebrachten Gewebeproben, und von »Beweisen«. Man kann nur Schlüsse ziehen, da man diese sogenannten Beweise nicht gefunden hat. Maettgen lässt in seinen Diktafon-Eintragungen alle wissenschaftliche Stringenz fahren, gibt sich offenbar Spekulationen hin, er spricht von abnormen Zellregenerationsrhythmen und von einem Probanden, der hohen, noch unbestimmten Alters sei.
    Sophia,
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