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Der Drachenwald

Der Drachenwald

Titel: Der Drachenwald
Autoren: Anu Stohner
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Ritterzeit habe ich meine Meinung über Wuschel geändert. Er
ist
ein |14| Wunderhund, da gibt es überhaupt keinen Zweifel. 1
    »Logisch«, sagte ich.
    Inzwischen hatte Robert das Zauberschwert unterm Bett vorgezogen.
    »Also«, sagte er, »wir machen es wie letztes Mal auf dem Rückweg.«
    Auf dem Rückweg aus der Ritterzeit hatte ich mich hinten an Roberts Gürtel festgehalten und Wuschel sich hinten an meinen Jeans, mit den Zähnen. Dann hatte Robert das Zauberschwert geschwungen und über dem Kopf im Kreis herumgewirbelt, und zack!, waren wir zurück in Roberts Zimmer. (Gut, Wuschel hatte hinterher ein Stück von meinen Jeans im Maul, aber auf so einer langen Reise kann eben nicht alles glattgehen. Außerdem sind Jeans mit Löchern Mode.)
    Genau so machten wir es jetzt auch wieder, das heißt, erst steckten wir noch unsere Beuteschwerter in den Gürtel. Robert hatte dann zwar zwei, aber zum richtig Kämpfen war das Zauberschwert |15| zu groß und zu schwer für ihn, und vielleicht
mussten
wir ja kämpfen. Wenn zum Beispiel die Wilden Wölfe ihre Niederlage inzwischen verdaut hatten und sich bei den tapferen kleinen Wackerburgern für die erlittene Schmach revanchieren wollten. Das konnte gut sein, und wenn ich daran dachte, wurde mir ganz schön mulmig. Ich sollte das vielleicht nicht sagen, aber ich bin nicht so der große Held, und Heimweh kriege ich auch schnell.
    »Äh, Robert   …«, sagte ich, während er das Zauberschwert in den Händen wog.
    »Was ist?«
    »Heute ist Samstag   …«
    »Und?«
    »Schon nach vier   …«
    »Und?«
    »Wenn es jetzt länger dauert, bis halb acht oder acht   …?«
    Samstags um sechs, müsst ihr wissen, gucken wir bei Robert immer Sportschau, Robert, sein Vater, seine Mutter und ich. Und Wuschel. Wuschel ist ganz wild auf Fußball, in echt und im Fernsehen. In echt muss man ihn an die Leine nehmen, wenn irgendwo jemand kickt, weil er sonst mitkicken will, und im Fernsehen ist er für |16| Borussia Dortmund, genau wie wir. Wuschel ist für sie, weil sie so einen ähnlich wuscheligen Trainer haben, behauptet Roberts Vater, aber bei ihm weiß man manchmal nicht (bei Roberts Vater jetzt), ob er was ernst meint oder als Witz.
    »Quatsch mit Soße!«, sagte Robert. »Weißt du noch, wie lange es letztes Mal gedauert hat?«
    Mit der Frage hatte er gewonnen. Wir waren losgewirbelt, als seine Mutter gerade das Mittagessen auf den Tisch stellte, und als wir zurückkamen aus der Ritterzeit, war es noch warm. Spaghetti Bolognese, ich wusste es noch genau.
    »Ein paar Minuten höchstens«, sagte ich kleinlaut.
    Dort, bei den Rittern, war es zwar ein halber Tag gewesen, aber hier und dort verging die Zeit scheinbar unterschiedlich schnell.
    »Eben«, sagte Robert.
    Und dann begann er ächzend, das Zauberschwert zu schwingen.
    Ich klammerte mich hinten an seinen Gürtel und duckte mich, denn das Zauberschwert ist, außer dass es einen in die Ritterzeit katapultieren kann, auch unheimlich scharf. Robert hatte es mir schon mit einem Blatt Papier vorgeführt, das hatte das Zauberschwert durchgeschnitten wie |17| Luft. Er hätte vielleicht nur nicht den Sachkundetest dafür nehmen sollen. Er hat ihn zwar schön wieder zusammengeklebt, aber Frau Knöpfel war trotzdem sauer. Frau Knöpfel ist unsere Lehrerin, und sie ist sehr nett, aber ein bisschen streng. Trotzdem wäre ich jetzt lieber bei ihr in der Schule gewesen, als mich an Roberts Gürtel festzuklammern und hinten, dort, wo die linke Gesäßtasche sitzt, Wuschels spitze Zähne zu spüren. Ich weiß noch, wie ich die Augen zumachte und dachte, ich hätte vielleicht die weiten Skater-Jeans anziehen sollen, obwohl wir an dem Nachmittag ja nur Fahrrad fahren wollten. Dann wurde mir auch schon schwindlig. Das Letzte, was ich noch hörte, war so ein Pfeifen, wie wenn etwas Dünnes, Scharfes die Luft zerschneidet.
    Als ich die Augen wieder aufmachte, dachte ich erst, es wäre vielleicht zu früh. Es war nämlich immer noch alles schwarz. Oder war es in der Ritterzeit vielleicht schon Nacht?, überlegte ich. Nein, jetzt sah ich was. Um mich herum war nur so ein Dämmerlicht wie in einem dunklen Wald. Und da waren Blätter und Zweige wie in einem Dickicht. Dann hörte ich es rascheln.
    »Robert, bist du das?«, fragte ich und flüsterte vorsichtshalber. Man konnte ja nicht wissen, was |18| für ein Dickicht in was für einem Wald das war. Zwischen der Wackerburg und Burg Wolfeck gab es sogar einen Drachenwald!
    »Wer sonst?«, flüsterte
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