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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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die Reklame. Und wie vollständig gelang ihm dies! Während man in Frankreich noch seinen Wert in Frage stellte, war er schon in ganz Europa populär und lebte das Personal seiner Romane, die Rastignacs und die Maufrigneuse, schon als wirkliche Figuren, wie sie für ihn selber lebten, für die Gesellschaft von Venedig und St. Petersburg. Sainte Beuve erzählt, daß einst im innersten Rußland eine Dame beinahe in Ohnmacht gefallen wäre, als sie gehört, der große Balzac sei in Fleisch und Blut gegenwärtig. Der Grund dieser auswärtigen Berühmtheit liegt, wie bei Bulwer, wohl hauptsächlich darin, daß Balzac wie Bulwern, im guten wie im schlimmen, gewisse nationale Eigenschaften und Traditionen fehlten, welche man daheim nicht gerne mißt, die nach außen aber immer als Schranke wirken; zum Teil auch in der Eitelkeit der vornehmen Gesellschaft Osteuropas, welche doch immer noch nach den älteren westeuropäischen Salondamen und -herren, als nach ihren Mustern blickt und diese in Balzacs Romanen getreu geschildert zu finden glaubte. Ihm war beides eine unendliche Genugtuung: der weitverbreitete Ruhm seines Namens und die Autorität als Kenner vornehmer und eleganter Kreise.
    So mächtig übrigens auch seine Ruhmsucht war, sie trat vor seinem Liebesbedürfnis zurück. »Im Grunde«, schreibt er 1844, als er schon, trotz der Kritik, seine literarische Stellung erobert hatte, an seine künftige Gattin, »ist das Spiel, das ich spiele, dies: vier Menschen werden in diesem halben Jahrhundert einen ungeheuren Einfluß ausgeübt haben: Napoleon, Cuvier, O'Connell. Ich möchte der vierte werden. Der erste hat vom Blute Europas gelebt..., der zweite hat sich dem Erdreich vermählt; der dritte hat ein Volk in sich verkörpert; ich werde eine ganze Gesellschaft in meinem Kopfe getragen haben. Ist's nicht ebensogut so zu leben, als alle Abende zu sagen: Pique, Trumpf, Coeur... oder nachzuforschen, warum Mme. Soundso dieses oder jenes getan? Aber es lebt in mir auch ein anderes Wesen, das viel größer ist als der Schriftsteller und viel glücklicher als er; das ist Ihr Sklave. Mein Gefühl ist schöner, größer, vollständiger als alle Befriedungen der Eitelkeit oder des Ruhmes. Ohne diese Fülle des Herzens hätte ich nicht den zehnten Teil meines Werkes vollendet, ich hätte den nötigen Mut dazu nicht gehabt.« Der ganze Balzac ist in diesen Zeilen, sein kindischer Ehrgeiz und sein kindliches Gemüt; auch sein Schicksal des ewigen Hoffens und Jagens nach einem Ziel, das ihm immer wieder entgeht und das er erst im Tode erreichen sollte: äußere Unabhängigkeit, inneres Glück.
    Von Jugend auf hatte er von einer hohen Liebe geträumt. »Mich dem Glück einer Frau zu widmen, ist mein ewiger Traum, und ich bin verzweifelt, ihn nicht zu verwirklichen.« »Aber«, fügt er charakteristisch hinzu, »ich begreife Ehe und Liebe nicht in der Armut.« Denn nur das vornehme, müßige Weib, das seinen Körper pflegen kann wie seinen Geist und sein Gemüt, war ihm Weib, obschon er reizende Frauencharaktere aus der niederen und Mittelklasse geschildert hat: in der Wirklichkeit aber hörte eine Frau mit verarbeiteten Händen auf, eine Frau für ihn zu sein. Diejenige, die er fand, verwirklichte auch in dieser Hinsicht seine kühnsten Träume; und die Bewunderung, die er ihrer hohen Geburt, ihrem vornehmen Wesen, ihrem Reichtum, ihren großartigen Lebensgewohnheiten zollt, wie sie nur von denen gezollt wird, die derlei stets nur aus der Ferne gesehen, diese Bewunderung war ein Stück seiner Liebe, und nur die werden ihm das verargen, welche von der Komplexität menschlicher Leidenschaften keinen Begriff haben.
    Schon vor dem Tode der Freundin und Gönnerin seiner Jugend hatte er im Jahre 1833 die Frau kennengelernt, die ihm mehr als Freundin und Schwester sein sollte und sein Herz bis zu seinem Tode ausfüllte. Gräfin Hanska war eine Polin aus altem, fast souveränem Geschlecht, von damals noch gewaltigem Reichtum, verheiratet an einen russischen Edelmann, dem Balzac selber noch befreundet war und den er hochschätzte. Erst nach dessen Tode nahm das Verhältnis einen mehr als freundschaftlichen Charakter an; doch versprach Gräfin Hanska nicht vorm Jahre 1846 dem drängenden Freunde ihre Hand, und die Ehe selbst ward erst wenige Monate vor Balzacs Tode im Frühling 1850 abgeschlossen: beide waren bereits Fünfziger, er schon der furchtbaren Krankheit anheimgefallen, die ihn wegraffen sollte; sie fast unfähig, sich zu bewegen, kaum
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