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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist
Autoren: Jan Guillou
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ich?«
    Carl überlegte, was sie gemeint haben konnte.
    »Nein«, sagte er schließlich. »Bleib hier, aber halt den Mund.«
    »Soll das heißen, daß du einer von uns bist?« fragte Alain Detoureille schnell und blinzelte Carl zu. Der Franzose wandte Monika den Rücken zu, so daß sie sein Mienenspiel nicht sehen konnte.
    »Hör zu«, sagte Carl. »Wie ich schon sagte, wir haben wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit. Und bevor die Zeit um ist, muß ich wissen, was los ist, Alain. Hast du kapiert?«
    »Ja, ich glaube zu verstehen, was du meinst.«
    Carls Gehirn arbeitete fieberhaft. Er dachte verzweifelt über eine Möglichkeit nach, so zu fragen, daß nur einer von den beiden anderen im Raum verstand, was er meinte.
    »Ich bin noch nie im Schwimmbad gewesen«, erklärte er. »Ich bin aber trotzdem ausgebildeter Bademeister, und ich gehe davon aus, daß auch du einer bist.«
    Das Schwimmbad (La Piscine) ist in Agentenkreisen das international gebräuchliche Slangwort für den alten französischen Nachrichtendienst, der sein Hauptquartier in der Nähe des Schwimmbads Deligny am Seine-Ufer hatte, mitten in der Pariser Innenstadt. Für einen eventuellen Kollegen konnte diese Anspielung kaum mißverständlich sein.
    »Von allen Bluffs, die ich je erlebt habe, dürfte dies der dreisteste sein. Wenn wir erst mal in Stockholm sind, werden wir uns darüber totlachen«, gab Alain Detoureille mit einem Lächeln zurück.
    Carl begriff nicht, was der andere meinte. Die Botschaft war doppeldeutig. Die Bemerkung des Franzosen konnte zweierlei bedeuten: Entweder verstand er Carls Hinweis, daß dieser selbst ein Mann des Nachrichtendienstes war, so, daß der Bluff ungeahnte Dimensionen erreicht hatte, nämlich weil jetzt plötzlich zwei Kollegen zugleich in die Terroristen-Organisation eingeschleust worden waren. Vielleicht hatte er aber auch sagen wollen, das gesamte Gespräch sei nichts als Bluff, der unverschämteste Sicherheitstest, der sich bei einem Genossen nur denken ließ. Warum hatte der Franzose gesagt, sie würden sich in Stockholm totlachen? Wenn sie beide tatsächlich Kollegen waren, würde es zu keiner Reise nach Stockholm kommen. Vorausgesetzt, Carls Andeutung, ein Angriff stehe unmittelbar bevor, entsprach den Tatsachen. Hatte der Franzose nur so mißverständlich geantwortet, um sich von Monika nicht in die Karten blicken zu lassen?
    »Ich brauche eine klare Antwort«, sagte Carl mit Nachdruck.
    »Die hast du schon bekommen.«
    »Sie war nicht klar genug.«
    »Im Hinblick auf die Umstände und die Gesellschaft, in der wir uns befinden, finde ich sie klar genug.«
    »Wie ich vorhin schon sagte«, fuhr Carl fort und beugte sich über die Stoppuhr - es blieben noch fünfundfünfzig Sekunden -, »haben wir verdammt wenig Zeit. Weniger als eine Minute, Alain.«
    Auf dem Dach war ein leises Geräusch zu hören. Carl sah Alains Gesicht deutlich an, daß er das Geräusch registriert hatte.
    Carl warf einen Seitenblick auf Monika, die immer noch an der Tür stand, aber sie schien nichts bemerkt zu haben. Sie stand mit verschränkten Armen da und machte ein hartes, verschlossenes Gesicht.
    »Ich will es kurz machen«, fuhr Carl mit zunehmender Nervosität fort. »Du bist französischer Staatsbeamter. Bist du beim DST oder beim DGSE?«
    Monika ging auf leisen Sohlen über den Flur, betrat ihr Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Das war eine schwer zu deutende Reaktion, aber Carl seufzte erleichtert auf. Vielleicht waren ihr die Abkürzungen unbekannt.
    »Ich bin Major. Man hat mich dem DGSE ausgeliehen. Wie zum Teufel bist du darauf gekommen?« flüsterte der Franzose schnell und blickte verstohlen zu der Tür, durch die Monika verschwunden war.
    »Wir haben uns erkundigt und herausgefunden, daß es beim Fallschirmjägerregiment in Marseille nie einen Alain Detoureille gegeben hat. Du solltest schon eine hieb und stichfeste Identität haben, oder nicht? Habt ihr euch denn nie nach mir erkundigt?«
    »Doch, du bist Offizier, wie wir festgestellt haben. Das kam uns zwar etwas rätselhaft vor, aber wir haben nicht weiter nachgeforscht. Wann knallt es?«
    »In weniger als zwanzig Sekunden. Wir müssen in Deckung gehen.«
    »Die Deutschen?«
    Carl nickte und wollte gerade aufstehen, als Monika wieder in der Tür erschien. Sie hielt eine 9 mm Heckler & Koch 5 SD in der Hand, eine Maschinenpistole genau der Marke, die sich in diesem Moment in etlichen Exemplaren außerhalb der Wohnung befinden mußte. Es war allerdings ein
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