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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist
Autoren: Jan Guillou
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will mich nur vergewissern, daß wir allein sind«, fuhr er fort, ging in sein Zimmer, nahm seine Pistole, schob das Magazin ein und entsicherte leise mit einer schnellen Bewegung.
    Als er wieder im Nebenzimmer war, hatte Alain Detoureille sich schon auf das Sofa gesetzt. Er balancierte sein Cognacglas, das er mitgenommene hatte, zwischen Daumen und Zeigefinger.
    Er zuckte leicht zusammen, als er in Carls Hand die große italienische Pistole entdeckte, gab sich aber sichtlich Mühe, keine Unsicherheit zu zeigen.
    Carl setzte sich langsam und schwer dem Sofa gegenüber in einen Sessel. Er zog die Stoppuhr aus der Tasche und legte sie vor sich auf den Couchtisch.
    »Für dieses Gespräch haben wir genau sieben Minuten und fünfzig Sekunden Zeit«, sagte Carl. Er legte den rechten Arm bequem auf das Knie. Die Pistolenmündung war schräg auf den Fußboden gerichtet.
    Der Franzose stellte sein Cognacglas äußerst behutsam und mit einer deutlichen, sehr ausholenden und langsamen Bewegung auf den Tisch. Sie saßen vier Meter voneinander entfernt.
    Keiner der beiden hatte Mühe, die Situation einzuschätzen. Aus dem Untergeschoß waren Stimmen und Musik zu hören. Jemand hatte das Band gewechselt. Die beiden Männer sahen sich an.
    Der Franzose blickte Carl starr in die Augen, verriet aber mit keiner Miene, was er dachte.
    »Bist du bewaffnet?« fragte Carl.
    »Ja.«
    »Automatique 7,65?«
    »Ja, wieso?«
    »Also deine Dienstwaffe?«
    »Nein, in der Armee hatten wir eine andere Waffe.«
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    »Was hast du dann gemeint?«
    »Alain, wir befinden uns in einer teuflischen Situation. Bevor du allzusehr darüber nachdenkst, wie du deine Waffe aus der Tasche bekommst, will ich dir etwas sagen, was vollkommen wahr ist. Erstens: Du hast nicht die geringste Chance. Ich hoffe, du siehst das ein. Zweitens: Ich habe nicht die geringste Absicht, dich zu verletzen. Ist das klar?«
    »Ja, ich höre, was du sagst.«
    »Ist dir noch nicht aufgegangen, daß wir mindestens zwei Terroristen sind, die für diesen Haufen etwas zu gut sind?«
    »Doch natürlich. Ich dachte, ich wäre allein.«
    »Das bist du wirklich nicht.«
    »Nein. Und?«
    »In dieser Wohnung befindet sich mindestens ein, ich wiederhole, mindestens ein Vertreter des französischen, deutschen oder eines anderen Sicherheitsdienstes.«
    »Mindestens einer?«
    »Ja.«
    Das Ticken der Stoppuhr schien in der Stille immer lauter zu werden. Alain Detoureille schwieg eine Zeitlang, hob dann fragend die Augenbrauen und machte eine vorsichtige, betont langsame und sichtbare Handbewegung zu der Stoppuhr hin.
    »Die Sekunden verrinnen?«
    »Ja.«
    »Und was geschieht dann?«
    »Dann ist alles zu Ende.«
    »Nachdem du mich durch deinen Bluff dazu gebracht hast zu gestehen, daß ich dein Feind bin? Dann ist es zu Ende? Glaubst du etwa, ich ließe mich so leicht ins Bockshorn jagen?«
    »Nein. Aber du solltest jetzt versuchen, deinen Verstand zu gebrauchen, Alain. Wir haben einen Angriff zu erwarten.«
    »Du weißt es?«
    »Ja.«
    »Woher?«
    Carl zögerte. Er war der Meinung, sich unmißverständlich ausgedrückt zu haben. Vielleicht waren seine Bemühungen völlig überflüssig. Alain besaß wahrscheinlich Geistesgegenwart genug, sich sofort zu ergeben, wenn die GSG 9 angriff. Dann würde Carl dem Franzosen nachträglich alles erklären können.
    Dennoch konnte er das Risiko nicht ausschließen, daß Alain automatisch reagieren und auf die GSG 9 schießen würde, falls er innerlich unvorbereitet war. Das konnte ihn das Leben kosten.
    Die Deutschen hatten bestimmt kugelsichere Westen und automatische Waffen. Carl glaubte, auf dem Dach ein leises Klappern zu hören. Verdammter Tolpatsch, dachte er.
    Carl wartete schweigend. Alain Detoureille sah ihn jedoch nur unverwandt an, ohne eine weitere Initiative zu ergreifen, ja, er stellte nicht einmal eine Frage. Carl konnte nicht begreifen, was im Kopf des anderen vorging. Die Uhr tickte. Unerträglich lange sprach keiner der beiden ein Wort.
    Carl glaubte schon zu wissen, wie er weiter verfahren sollte, als die Tür geöffnet wurde. Es war Monika.
    »Wozu steckt ihr hier die Köpfe zusammen?« bemerkte sie mit sichtlich angestrengter Munterkeit.
    »Bitte sei so nett und laß uns allein. Geh zu den anderen hinunter«, entgegnete Carl und bemühte sich, seinem Ton die größtmögliche Schärfe zu geben.
    »Nein, ich denke gar nicht daran. Ich kann höchstens runtergehen und die anderen holen, falls du das willst. Soll
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