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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1
Autoren: Bastian Sick
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eines Orkans über Norddeutschland beschreibt.
    Der Verfasser der Meldung scheint seinerseits von der Präposition »durch« getroffen worden sein, und zwar direkt am Kopf, sonst hätte er den Satz besser zu formulieren gewusst.
    Natürlich wurden die Autos nicht »durch« Ziegel getroffen, sondern von denselben. Ersetzt man »durch«
    nämlich durch »mittels« oder »mit Hilfe von«, dann sieht man, wie unsinnig die Verwendung von »durch« hier ist:
    »Mehrere Autos wurden mit Hilfe herabfallender Ziegel getroffen.«

    Derselbe logische Fehler offenbart sich auch in dieser Schreckensnachricht aus den Rocky Mountains: »Der 42-jährige Mann wurde durch einen ausgewachsenen
    Grizzly getötet.« Das liest sich so, als hätte jemand einen Bären dazu benutzt, um den Mann aus dem Weg zu räumen. Denkbar zwar, aber wohl kaum so gemeint. Die Gegenprobe mit »mittels« oder »mit Hilfe von« zeigt auch in diesem Fall, dass »durch« fehl am Platz ist.

    »Wir drucken den Text in der deutschen Übersetzung durch Harry Rowohlt«, kündigt eine Zeitung ihren Lesern an. Bei einem solchen Satz hätte sich dem wortgewandten Übersetzer selbst wohl die Feder gesträubt. Schließlich ist Harry Rowohlt weitaus mehr als nur ein Medium, durch das die Übersetzung mal eben so hindurchgeflossen ist.
    Im Zusammenhang mit »schreiben« und
    »übersetzen« ist vom Gebrauch der Präposition »durch«
    durchweg abzuraten. Wann immer Personen,
    Personengruppen oder Institutionen im Spiel sind, taucht
    »durch« die Agierenden ins trübe Licht der Mittelbarkeit.

    Bei der Frachtsendung, die »durch Boten« zugestellt wird, mag dies noch angehen, da der Bote tatsächlich nur als Mittelsmann zwischen Sender und Empfänger
    fungiert. Doch beim Kauf und Verkauf zum Beispiel ist es etwas anderes. Ehe man sich versieht, werden aus Händlern und Kunden Mittelsmänner, die an dem
    Geschäft nur indirekt beteiligt sind:

    »Das Grundstück wurde 1912 durch meinen
    Großvater gekauft«, erklärt der Besitzer eines stattlichen Anwesens in Brandenburg seinen Besuchern. »Ihr Großvater war demnach Makler?«, fragt jemand aus der Gruppe. »Wie kommen Sie darauf? Nein, mein
    Großvater war selbstverständlich Landwirt!« – Die Frage ergab sich aus der Wortwahl; denn Grundstücke und Häuser werden oft »durch« Makler gekauft und verkauft, wobei diese eben nur Mittelsmänner sind; in der Regel wollen sie die Immobilien ja nicht selbst behalten. Hätte der Brandenburger Gutsbesitzer aktivisch gesagt: »Das Grundstück hat mein Großvater 1912 gekauft«, dann hätte es dieses Missverständnis nicht gegeben.

    »Du gibst dein Auto noch in die Werkstatt, ja biste denn verrückt? Ich lass meinen Wagen immer schön durch einen befreundeten Kfz-Mechaniker reparieren, das kommt viel billiger.« Eine solche Auskunft lässt nicht nur das Finanzamt aufhorchen, sondern auch den fürsorglichen Stilgärtner.

    Sprache lebt von Veränderung und Vielfalt; nicht durch Verwässerung und Wildwuchs. Sie sieht besser aus, wenn sie aufgelockert, von Unkraut befreit und geharkt wird. Nicht alles, was zwischen Substantiven und Verben emporkeimt, trägt zur Verschönerung bei. Eine Faustregel der Stilkunde besagt daher: Man lese nach dem Schreiben seinen Text gründlich von Anfang bis zum Ende und prüfe, ob sich die darin enthaltenen
    »durchs« nicht durch andere Präpositionen ersetzen lassen, zum Beispiel durch »von« oder »mit« – oder durch etwas anderes, so wie in diesem letzten Beispiel:

    »Der Manager hat ein Glaubwürdigkeitsproblem
    durch das Ausbleiben der Aufträge, die er im letzten Jahr prognostiziert hatte.« Wie wäre es hier mal mit
    »aufgrund« oder »auf Grund«? Angst vorm Genitiv?
    Dann ginge es auch mit »aufgrund von«.

    In den Blumenbeeten der deutschen Sprache ist
    »durch« mittlerweile so allgegenwärtig, dass es einem durch und durch geht. Mancher Stilblütenzüchter meint vielleicht, er sei dadurch nicht betroffen. Doch es sind weitaus mehr davon betroffen, als man glaubt. Greifen auch Sie zur Hacke, jäten Sie mit, lassen Sie »durch«
    nicht überall durchgehen!
    Schöner als wie im Märchen

    Hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen, da lebte einst ein Mädchen, schöner wie eine Prinzessin.
    Seine Haut war weißer wie Schnee, die Lippen roter wie Blut und die Haare schwärzer wie Ebenholz. Sie kennen die Geschichte? Aber bestimmt nicht in dieser stilistisch bedenklichen Fassung.

    Schneewittchen war nur mal eben hinausgegangen,
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