Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
Schießplatz bei Treuenbrietzen passierten, sagte Rickmer: »Wir sollten mal sehen, ob wir demnächst irgendwo was zum Frühstück kriegen.«
    In Marzahna parkte Wohlfeld den Horch vor einer Gaststätte mit dem vielversprechenden Namen Zur Brezel.
    Als ich ausstieg, zuckte mir der Schmerz durch den Fuß. Wohlfeld warf mir einen mitleidigen Blick zu. Aber dann ging es doch, und als ich die Gaststätte betrat, konnte ich fast normal auftreten. Der Fuß glitschte nicht mehr im Schuh, das Blut war getrocknet. Rickmer hatte kaum die Tür zum Gastraum geöffnet, schon baute sich ein kleingewachsener Mann in einer fleckigen graublauen Schürze vor ihm auf. Erstaunlicherweise schlug er nicht die Hacken zusammen. Er starrte uns aus hervorquellenden Augen an, dann fragte er mit einer leichten Verbeugung: »Was darf es sein, Herr Oberleutnant?«
    Der Gastraum war leer. Rickmer ging zu einem Tisch in der Ecke, zeigte auf zwei Stühle, deren Lehnen zur Tür wiesen, und setzte sich auf den Stuhl an der Wand, von wo aus er alles im Blick hatte. Er regelte es lautlos, freundlich, deutete seine Gesten nur an. »Ein ordentliches Frühstück werden Sie doch haben für uns, Herr Wirt.«
    Der Wirt strich sich über die Glatze. »Selbstverständlich. Mit Eiern?«
    Rickmer schaute mich und Wohlfeld kurz an und sagte: »Mit Eiern. Und brühen Sie einen ordentlichen Bohnenkaffee.«
    Der Wirt verschwand hinter einer Tür am Tresen.
    Ich schaute mich um. Der Fußboden bestand aus krummgetretenen Holzplanken, denen Wachs gut getan hätte. An den gelbgerauchten Wänden hingen Szenen aus dem Grabenkrieg in Öl. In einer Ecke ein Plakat des Stahlhelms, auf dem ein Vortrag seines Vorsitzenden Duesterberg angekündigt wurde: »Freiheit für Deutschland!«
    Aus der Tür hinterm Tresen kam eine große, hagere Frau mit einer Kanne aus weißem Porzellan. Gleich verbreitete sich der Duft frisch gebrühten Kaffees. »Die Tassen bringe ich sofort«, sagte die Frau und verschwand hinter der Tür. Ich hörte es klappern.
    Als die Frau die Tassen gebracht und uns eingeschenkt hatte, fragte ich Rickmer: »Wie lange wollen Sie uns begleiten?«
    »Das wissen nur meine Vorgesetzten.«
    »Haben Sie denn schon einmal an Ermittlungen in einem Mordfall teilgenommen?«
    »Nein, ich habe mich nicht danach gedrängt. Aber Befehl ist Befehl. Das ist bei Ihnen ja nicht viel anders.«
    Er hatte recht. Zwar stand man nicht stramm bei der Kriminalpolizei, aber meine Vorgesetzten verlangten nicht weniger Gehorsam von mir als die Heeresleitung von ihren Soldaten.
    Der Wirt kam mit einem Tablett. Brot, Marmelade, Wurst, Käse, gekochte Eier. Ich zweifelte, ob ich als Zivilist genauso verwöhnt worden wäre. Es war nicht nur schlecht, dass die Regierung uns einen uniformierten Aufpasser mitgeschickt hatte. Aber sonst konnte ich keinen Vorteil erkennen. Rickmer erschien mir wie eine Sphinx.
    »Der Präsident sprach von der Gefahr eines Bürgerkriegs. Ist das auch Ihre Meinung?«
    Rickmer schaute mich einen Augenblick an, bevor er antwortete. Vielleicht fand er meine Frage deplaziert oder naiv oder beides. »Überlegen Sie einmal, was jetzt passieren kann.« Seiner Stimme war deutlich anzuhören, dass er sich um Geduld bemühte. »Hitler und der Glaube an seine Mission, was immer das sei, hielten die NSDAP zusammen, die nicht mehr oder weniger ist als die mit Abstand stärkste Partei im Reich. Nun sind die Nazis aber keineswegs so ein durchorganisierter Haufen wie die Kommunisten. Es hat immer wieder Rebellion gegeben in der Partei, ich sage nur Stennes, Otto Strasser. Aber die sind ja längst raus und haben eigene Sekten.« Von Hauptmann Stennes und Otto Strasser hatte ich gelesen. Rickmer hatte recht, die Nazis waren alles andere als ein geschlossener Block. »Und der Bruder von Otto Strasser, der sich selbst als Sozialist bezeichnet und mit Moskau zusammen marschieren will, Gregor also, ist nach Hitlers Tod der mächtigste Mann in der Nazipartei. Wie der Herr Polizeipräsident richtig erklärt hat, ist Gregor Strasser einer, der das >Sozialistisch< in Nationalsozialistisch wenigstens so ernst meint wie das >National<.«
    Rickmer schmierte sich ein Brot mit Weichkäse. Dann trank er einen Schluck Kaffee. Er tat dies mit der Ruhe eines Mannes, den auch der Weltuntergang nicht zur Eile angetrieben hätte.
    »Wir im Truppenamt rechnen nun damit, dass Göring, Frick und andere Nazigrößen keineswegs begeistert sind von Gregor Strassers Sozialismus. Und wir wissen keineswegs, ob
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher