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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul
Autoren: Christian Ditfurth
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der ihn irgend etwas trieb. Immerhin, Engelbrecht hatte immer einen netten Spruch auf den Lippen gehabt, den etwa:
     
    »Willst du beim Fachgenossen gelten,
    Das ist verlor’ne Liebesmüh’,
    Was dir misslingt, verzeih’n sie selten,
    Was dir gelingt, verzeih’n sie nie.«
     
    Den Abgang hatten die Herren im preußischen Innenministerium Engelbrecht schon gar nicht verziehen.
    »Jawohl, Herr Polizeipräsident«, sagte ich.
    Er warf mir einen misstrauischen Blick zu. Dann sagte er: »Kommen wir zur Sache. Im Hotel Elephant in Weimar liegt eine Leiche. Laut Auskunft der dortigen Mordkommission handelt es sich um Adolf Hitler.«
    Ich hätte gerne eine geraucht. Der Fuß schmerzte. Einen Moment keimte die Angst vor einer Blutvergiftung in mir. Ich war müde. Hitler war tot, schlecht für ihn.
    »Das Thüringer Innenministerium hat sofort den Reichspräsidenten und die Reichsregierung unterrichtet. Der Reichsinnenminister hat eine Nachrichtensperre verhängt, vermutlich auf Druck von Sauckel. Die Nazis wollen sich wohl erst einmal überlegen, wie sie auf das Ableben ihres Führers reagieren sollen. Man wird mir keine Illoyalität vorwerfen, wenn ich behaupte, dass die Sperre keine vierundzwanzig Stunden hält. Wie mir mitgeteilt wurde, legt der Reichspräsident größten Wert auf die Aufklärung des Falls, ohne Ansehen der Person. Das preußische Innenministerium hat mich angewiesen, Sie mit den Ermittlungen zu beauftragen.«
    Es klang nicht so, als wäre Melcher begeistert von dieser Weisung. Vermutlich hatte ein Minister oder vielleicht sogar einer aus Hindenburgs Kamarilla letzten Monat die Lobeshymne in der Berliner Zeitung gelesen. Ich hatte mich nicht dagegen gewehrt, als »Berlins modernster Kriminalist« gepriesen zu werden. Aber es war Unsinn. Und die Freude meiner Kollegen war begrenzt. »Engelbrecht zwo«, lästerte Kühlbauer vom Einbruch in der Kantine. Und Wohlfeld hatte es mir gleich berichtet, mit einem schlecht unterdrückten Grinsen im Vollmondgesicht.
    »Sie fahren noch heute morgen mit dem Kriminalassistenten Wohlfeld und dem Herrn Oberleutnant nach Weimar und übernehmen die Ermittlungen.«
    »Eigentlich bin ich nicht zuständig.« Es rutschte mir heraus.
    Der Präsident schaute mich aus seinem traurigen Gesicht streng an.
    »Aber nur eigentlich. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir Kollegen auf dem Lande Hilfestellung geben. Der Reichsinnenminister hat schon mit dem Herrn Ministerpräsidenten Sauckel telefoniert. Sagen Sie den Herren in Weimar, wenn es ihnen nicht passt, schicken wir eine Verfügung des Reichsinnenministers ans Staatsministerium hinterher. Oder, wenn das nicht reicht, eine Notverordnung des Reichspräsidenten.«
    Ich muss ziemlich ungläubig geguckt haben.
    »Sie haben offensichtlich nicht begriffen, um was es geht.« Melcher schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Wenn Hitler tot ist, dann droht ein Bürgerkrieg. Nicht wahr, Herr Oberleutnant?«
    Rickmer nickte.
    Ich verstand nichts. Glücklicherweise befasste ich mich nur mit Mördern und Leichen, nicht mit Politik.
    »Es eilt. Wir dürfen uns auf keinen Fall dem Vorwurf aussetzen, wir wollten die Sache vertuschen oder würden uns vielleicht sogar freuen. Immerhin wollte Hitler die Macht für sich allein. Und noch etwas: Es dürfte sogar Ihnen bekannt sein, dass der Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser nun der mächtigste Mann in der NSDAP ist. Er ist wohl so was wie ein verkappter Sozi, war Hitlers Konkurrent. Und ist vermutlich der einzige, der die Partei nun führen kann. Er verbündet sich aber lieber mit der Kommune als mit unserem verehrten Reichskanzler von Papen oder Hugenbergs Deutschnationalen, zumal die Thälmanns neuerdings auf national machen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass Göring und Frick, der ist ja immerhin Nazifraktionschef im Reichstag, mit Strasser nichts am Hut haben. Goebbels wohl auch nicht, aber der ist genausowenig ein Busenfreund von Göring. Es sieht nach Kuddelmuddel aus in der Nazipartei und darüber hinaus. Der Bursche, der Hitler tötete, hat eine Lunte angesteckt. Und wir müssen sie austreten, wenn nötig, gemeinsam mit der Reichswehr.«
    »Gegen Moskau haben wir nichts. Aber gegen Thälmann und Genossen um so mehr«, warf Rickmer ein. Er sah aus, als wollte er den Satz wieder einfangen.
    Ich begriff gar nichts mehr. Der Präsident musste es mir angesehen haben. »Das brauchen Sie jetzt nicht zu verstehen, fahren Sie einfach nach Weimar. Sehen Sie zu, dass
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