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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul
Autoren: Christian Ditfurth
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dieser Elsbeth. Du bist mit einer Toten verheiratet. Aber gibst den Irren, weil ich mal ohne dich schick ausgehe. Wenn du mich nie einlädst, dann tun es eben andere.«
    Dann zählte sie meine Sünden auf, die sich auf den Nenner bringen ließen, dass ich nie Zeit für sie hatte. Ihr Stimme war schrill gewesen. Natürlich hatte sie recht. Meine Eifersucht war nicht das Ergebnis von Liebe, sondern meiner Einbildung, sie müsse mich so nehmen, wie ich bin. Ich war gerne Polizist. Es machte mich wichtig. Ich spürte den Respekt meiner Kollegen und die Furcht der Verbrecher, die ich fasste.
    Auf einmal schwieg sie. Sie fasste sich an die Stirn und murmelte etwas, ich verstand es nicht. Das war neu in unseren Streits, normalerweise gab ich auf, schrie sie mich an, bis ich resignierte. Diesmal nicht. Sie ging ins Schlafzimmer, holte ihren Koffer vom Schrank und packte ihre Sachen. Ich lehnte mich an den Türrahmen. Es drängte mich, etwas zu sagen. So etwas wie: »Entschuldigung, bleib. Es kommt nicht wieder vor.« Aber ich sagte nichts, schaute ihr nur zu beim Packen. Ich hätte mir selbst nicht geglaubt. Die Erleichterung meldete sich, sie war so anziehend wie erdrückend. Ich wusste, ich tat ihr Unrecht und vernachlässigte sie. In der letzten Zeit hatte ich es oft absichtlich getan. Als sie ging, schüttelte sie den Kopf. Als wollte sie sagen: So einer wie du taugt nicht als Freund, nicht für mich, nicht für eine andere.
    Ich hatte nur für Elsbeth getaugt. Aber Elsbeth war tot, gestorben bei der Geburt unseres Sohnes, der nur einmal kurz schrie und dann blau anlief und erstarrte. Die Erinnerung kehrte immer wieder zurück. Die Hebamme, eine kleine Frau, deren Augen so viel Vertrauen geschenkt hatten. Ich saß im Nebenzimmer und hörte sie. Es begann mit einer Blutung, schmerzfrei. Sie riss die Tür auf und schickte mich, einen Arzt zu holen. Ihre Stimme war voller Angst. Ich sollte dem Arzt sagen, es habe einen Blasensprung gegeben. »Schnell, schnell!« rief sie. Ich rannte los und war in nicht einmal zwanzig Minuten zurück mit unserem damaligen Hausarzt, Dr. Wieland. Wieland schnaufte die Treppen hoch. Als er das Schlafzimmer betrat, warf ich einen Blick auf Elsbeth. Sie lag da mit weit geöffneten Augen, Blut tropfte vom Bett auf den Fußboden. Der Arzt knallte die Tür zu. Nach einer Weile hörte ich ihn sagen: »Wir müssen den Jungen retten!« Ich weiß nicht, was er tat. Aber als ich meinen Sohn sah, trug er blutige Kratzspuren am Körper. Er war klein und blau und starb eine halbe Stunde nach Elsbeth. »Placenta praevia«, sagte der Arzt. Er hätte sagen können, was er wollte. Ich sah das Blut auf Bett und Boden, das verschrumpelte Etwas auf dem Tisch, das mein Sohn hätte werden sollen, und Elsbeths Gesicht. Am Hals trug sie das Medaillon mit der schwarzen Perle, das ich ihr in einem Anflug von Leichtsinn geschenkt hatte. Das Medaillon lag nun meistens in der Nachttischschublade. Wenn ich mich besonders schlecht fühlte, trug ich es in der Tasche bei mir. Es gab Monate, in denen ich es oft bei mir hatte.
    Als ich mir eine Zigarette anzündete, hustete Rickmer. Es war mir egal. Ich war wütend auf Erika und auf Rickmer, der seine Überheblichkeit hinter einer freundlichen Miene verbarg. Er hielt mich für einen naiven Greifer, der Zuhältern und Einbrechern nachstellte, aber nichts verstand von Politik und anderen Dingen, die unser Leben bestimmten. Es ärgerte mich um so mehr, als es stimmte.
    Wohlfeld fluchte leise, seit einiger Zeit hing er hinter einem Lastwagen. Er hatte die Scheibenwischer eingeschaltet. Dann zog er den Wagen auf die linke Seite und ließ den Motor aufheulen. Ich spürte die Beschleunigung im Rücken. Als er den Laster überholt hatte, schlug Wohlfeld sanft einen Takt aufs Lenkrad. Wir passierten Naumburg und den Abzweig nach Apolda, ich bildete mir ein, den Ettersberg schon zu sehen, über den ich in der Zeitung gelesen hatte. Goethe und Schiller waren dort spazierengegangen.
    Ich döste vor mich hin. Mein Traum fiel mir ein. Ich wusste nicht mehr, ob ich es erlebt hatte oder mir einbildete. Kurt und Walter gab es, und wir hatten auch gemeinsam Spähtrupps unternommen. Beide gehörten wie ich zu den wenigen Alten, die Trommelfeuer, Angriffe und Gegenstöße überlebt hatten, auch Ludendorffs hoffnungslose letzte Offensiven. Sie waren richtige Kerle. Kurt war Journalist bei irgendeiner Berliner Tageszeitung gewesen, Walter Berg war 1914 als Kriegsfreiwilliger aus der Schule
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