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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul
Autoren: Christian Ditfurth
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Graben ein.
    Wir pressten uns an den Boden, bis die Leuchtkugeln erloschen. Irgendwo weiter vorn, nahe der britischen Stellung, musste der Schütze sitzen. Dann war es still und dunkel, nur leises Geknatter weit weg. Ich kroch ein Stück in nördlicher Richtung und rutschte in einen Trichter. Kurt und Walter kamen nach und legten sich neben mich. Wir starrten in die Nacht. Jetzt hörte man irgendwo dumpfe Schläge, es war nicht auszumachen, ob sie von feindlichen oder eigenen Geschützen stammten. Die Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Der Viertelmond färbte die Erdwüste um uns grau. Ich erkannte den Baum. Er streckte seine blattlosen Zweige in die Nacht.
    Mehr als eine Stunde lagen wir in dem Loch, den Scharfschützen sahen und hörten wir nicht. Ich überlegte schon, ob wir aufgeben sollten. Dann glitt ich aus dem Trichter und kroch näher an den britischen Graben heran, Kurt und Walter folgten. Nach etwa achtzig Metern stieß ich auf ein flaches Loch und kauerte mich hinein. Kurt und Walter legten sich links und rechts neben mich. Als der Schuss knallte, zuckte ich zusammen. Danach klickte es leise, der Engländer hatte repetiert. Kurt tippte mir an die Schulter und zeigte nach vorn. »Da ist er, vielleicht fünfundzwanzig Meter«, flüsterte er mir ins Ohr. Ich nickte. Der Scharfschütze lag gut hundertzwanzig Meter vor der britischen Stellung. Ich zeigte auf Walter, dann beschrieb mein Zeigefinger einen sich nach links wölbenden Halbkreis. Walter nickte, er würde den Kerl links umgehen. Ich bedeutete Kurt, er solle Walter folgen. Dann zeigte ich auf mich und wies nach rechts, mein Zeigefinger beschrieb einen nach links gekrümmten Haken. Ich würde den Scharfschützen rechts umgehen und versuchen, ihm in den Rücken zu kommen. Mein Herz pochte, wir krochen dicht an die britische Stellung heran.
    Wenn die Posten uns hörten oder sahen, würden ihre MGs uns in Stücke schießen. Wir verließen den Trichter auf Ellbogen und Knien. Wenn ich Wurzeln greifen konnte, zog ich mich an ihnen vorwärts. Dann drückte ich mich tief in die Erde. Kurt und Walter verschwanden in der Nacht.
    Ich kroch weiter. Plötzlich ein Schmerz in der linken Hand. Ich betastete die schmerzende Stelle. Etwas Scharfes steckte in der Haut, ein Granatsplitter oder eine Scherbe. Ich zog sie heraus und warf sie weg, dann krümmte ich vorsichtig die Finger. Es schmerzte, aber sie bewegten sich. Mit meinem Taschentuch verband ich vorsichtig die Hand.
    Auf einmal wusste ich nicht mehr, wo ich war. Hatte ich den Scharfschützen bereits umgangen? Oder war ich der britischen Stellung schon zu nahe gekommen? Ich blieb liegen und versuchte mich zu orientieren. Angst kroch mir in die Glieder. Nicht weit schlug eine Granate ein, wohl eine deutsche, sie spritzte Sandkörner auf mich. Warum schossen sie? Die wussten doch, dass wir hier draußen waren! Ich legte mich auf den Rücken und starrte in den Himmel, als könnte von dort ein Fingerzeig kommen. Der Mond verschwand hinter einer Wolkenbank. Dann war es finster. Ich versuchte mich auf meinen Weg zu konzentrieren. Wo kam ich her, wo wollte ich hin? Ich drehte mich auf den Bauch und wollte weiterkriechen. Ich stützte mich auf Ellbogen und Knie, aber ich kam nicht voran. Als hätte mich jemand festgeklebt in der Erde. Ich war gelähmt. Dann hörte ich das Klopfen. Erst leise, dann immer lauter. Ich spürte, wie mein Mund sich öffnete, dann schrie ich. Das Klopfen übertönte meinen Schrei. Ich schloss die Augen. Die Briten hatten mich längst erkannt und würden gleich hier sein, um mich mit Bajonetten zu durchbohren. Ich sah den Stahl glitzern. Wo waren meine Kameraden? Es klopfte lauter, meine Ohren schmerzten. Ich schwitzte und zitterte.
    Als ich die Augen öffnete, erkannte ich nichts. Dann hörte ich wieder das Klopfen. Ich lag auf etwas Weichem. Ich blinzelte, dann tastete ich mit meinen Händen die Umgebung ab. Es fühlte sich weich und warm an. Dann stieß ich auf etwas Hartes, es klirrte. Meine Nachttischlampe war heruntergefallen. Es klopfte weiter, ich hörte auch Rufe. Ich fluchte und stand auf. Es knirschte, der Schmerz zog hoch ins Bein, ich war in einen Splitter des Lampenschirms getreten. Ich humpelte zur Tür und knipste das Licht an, es blendete. An meinem rechten Fuß war Blut. Jemand hämmerte an die Tür. Ich schaute zur Wanduhr, es war fast drei Uhr am Morgen. Ich ging zur Tür, wobei ich eine Blutspur auf dem Teppich hinterließ, und hörte die Rufe. »Herr Kommissar,
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