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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul
Autoren: Christian Ditfurth
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zurückkam, blieb ich vor der Tür der Suite stehen. Es ist eine Doppeltür, man hört normalerweise nichts. Ich glaubte, einen Schrei zu hören. Er klang furchtbar, wie von einem Tier. Ich habe an der Tür geklopft. Ein paar Mal. Als niemand antwortete, habe ich geöffnet .«
    »War die Tür nicht abgeschlossen?«
    »Nein, ich hätte sie aber mit meinem Generalschlüssel aufschließen können.«
    »Aha«, sagte ich.
    »Ich habe die beiden Türen geöffnet und nach ihm gerufen.«
    »Wie darf ich mir das vorstellen?«
    »Herr Hitler? Herr Hitler?« Sie rief erst leise, dann lauter.
    »Aber er hat nicht geantwortet.«
    »Nein, es war nichts zu hören.«
    »Trotzdem haben Sie auch die Tür zum Schlafzimmer geöffnet.«
    »Ich habe diese roten Flecken im Wohnzimmer gesehen, auf dem Teppich. Da war mir klar, etwas war geschehen. Ich dachte, vielleicht braucht er Hilfe. Ich habe die Schlafzimmertür geöffnet, ihn gesehen und musste schreien.«
    Ich nickte ihr freundlich zu. Sie war blass.
    »Dann kam Herr Leutbold, ich habe wohl laut geschrien.«
    »Das ist Ihr Kollege, der auch festgenommen wurde?«
    »Ja, er ist Nachtportier.«
    »Haben Sie sonst jemanden gehört oder gesehen, sagen wir, zwischen elf und zwei Uhr?«
    »Ja, die Begleiter von Herrn Hitler.«
    »Kennen Sie die Herren?«
    »Nein.«
    »Wie viele sind es?«
    »Ich habe drei gesehen.«
    »Und Sie haben wirklich niemanden erkannt?«
    Sie überlegte. »Einen vielleicht.«
    »Vielleicht?«
    »Ich interessiere mich nicht so für Politik. Ich glaube, einen habe ich mal in der Zeitung gesehen. Aber ich bin mir nicht sicher.«
    Ich war wütend auf Grüntner, weil er Hitlers Begleiter nicht erwähnt hatte.
    »Haben Sie in der Suite etwas angefasst?«
    »Ich habe überprüft, ob die Reinemachefrauen ordentlich gearbeitet haben.«
    »Tagsüber? Bevor Sie Herrn Hitler fanden?«
    »Ja.«
    »Und danach haben Sie nichts bewegt oder angefasst?«
    »Nein.«
    »Sind Sie Mitglied der KP?« »Von wem?«
    »Der Kommunistischen Partei.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Kennen Sie Thälmann?«
    »Den Führer der Kommunisten?«
    »Ja.«
    »Ich weiß nur, dass er KPD-Vorsitzender ist.«
    »Kennen Sie Ihren Kollegen Leutbold gut?«
    »Nein, er hat erst vor sechs oder sieben Wochen hier angefangen.«
    »Was ist Ihr Eindruck von ihm? Ist er ein guter Kollege?«
    »Bisher ja.«
    »Zuverlässig?«
    »Ich habe nichts Gegenteiliges erlebt.«
    »Wo kommt er her?«
    »Ich weiß nicht, ich glaube, aus Berlin.«
    »Haben meine Kollegen Ihre Personalien schon aufgenommen?«
    Sie nickte.
    »Sie wohnen in Weimar?«
    »Ja.«
    »Mal sehen«, sagte ich. Ich sagte es bedächtig, Rickmer schaute mich einige Sekunden fragend an.
    Der Schupo kam mit dem Nachtportier, einem drahtigen Mann mit Pomade in den schwarzen Haaren. Er trug eine Hornbrille, die zu groß war in seinem Gesicht. Der Mann sah erschöpft aus.
    »Sie sind Herr Leutbold. Nehmen Sie bitte Platz«, sagte ich.
    Er schaute mich erstaunt an und setzte sich. Seine Augen blieben misstrauisch an mir haften.
    »Sie haben Herrn Hitler tot aufgefunden«, sagte ich.
    »Nein, Frau Schmoll hat mich gerufen.«
    »Das stimmt nicht«, sagte ich.
    Er schaute mich überrascht an.
    »Frau Schmoll hat geschrien, deshalb sind Sie zur Suite gegangen.«
    Leutbold nickte. »Das ist richtig«, sagte er.
    »Ich nehme es genau. Und dann haben Sie die Leiche gesehen?«
    »Ja. Er sah schrecklich aus.«
    »Wann war das?«
    »Kurz nach halb zwei.«
    »Haben Sie etwas verändert am Tatort, etwas angefasst?« »Nein.«
    »Sie arbeiten erst seit kurzer Zeit im Hotel.«
    »Seit knapp zwei Monaten.«
    »Wo haben Sie vorher gearbeitet?«
    »Im Bristol, in Berlin.«
    »Ein feines Haus.«
    Er nickte. »Aber auch nicht feiner als das Elephant.«
    An der Wand hing ein Bild des Nationaltheaters. Der Teppich unter meinen Füßen war dick und weich. »Was verschlägt Sie nach Weimar?«
    »Das ist schwer zu sagen. Ich wollte mich verändern.«
    Ich warf ihm einen scharfen Blick zu. Er sollte heißen, ich glaube dir nicht. »Haben Sie sich beim Hotel beworben?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Vor etwa einem Dreivierteljahr. Vor gut drei Monaten haben sie mir geschrieben, die gewünschte Stelle sei nun frei.«
    »Aber solche Stellungen kriegt ja nicht jeder. Da haben sich bestimmt viele drauf beworben. Wenn ich da an die Millionen von Arbeitslosen denke.«
    »Ich hatte wohl die besten Referenzen.« Seine Hand zitterte auf der Stuhllehne.
    »Sie haben also Hitler ermordet.« Ich sagte es
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