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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul
Autoren: Christian Ditfurth
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hat«, sagte der Senatspräsident.
    Berg nickte.
    »Kennen Sie denn diesen sogenannten M-Apparat?«
    »Ja, den kenne ich gut.«
    »Hat dieser Apparat Mordpläne entwickelt und ausgeführt?«
    »Herr Senatspräsident, ich möchte dazu feststellen, dass in der Zeit, in der die besagten Morde begangen wurden, die militärpolitische Abteilung des Zentralkomitees der KPD vom individuellen Terror Abstand genommen hatte.«
    »Daraus schließe ich, dass es zuvor anders war«, warf Voß ein.
    »Ja. Es hat bedauerliche Entgleisungen gegeben, einige wenige haben große Fehler gemacht.«
    Der Senatspräsident räusperte sich. »Sie können also ausschließen, dass dieser Apparat angeordnet hat, die Morde auszuführen, oder dass ein Mitarbeiter dieses Apparats, sagen wir mal, übereifrig war.«
    »Wir haben diese Sache damals intern geprüft. Ich kann diese Möglichkeiten ausschließen.«
    »Auch keine Rache wegen Potempa?«
    »Es hat einige gegeben, die Hitler bestrafen wollten, weil er die Mörder von Potempa, die einen Genossen zu Tode getrampelt hatten, zu Helden machte. Aber es hat niemand von uns Hitler oder die anderen Faschistenbonzen getötet.«
    »Mäßigen Sie sich in Ihrem Ton!« donnerte Voß.
    Für den Bruchteil einer Sekunde erschien ein Grinsen auf Bergs Gesicht.
    »Da Sie ja alles wissen über das Paradies der Werktätigen, können Sie mir bestimmt verraten, wo sich dieser Leutbold aufhält, Ihr Agent im Hotel Elephant«, sagte Voß.
    »Zur Zeit in Moskau, glaube ich.«
    »Wohl bei der GPU?«
    »Meines Wissens arbeitet er in der Bibliothek der Kommunistischen Internationale.«
    Am Abend in meiner Zelle dachte ich an Rübezahl und Berg. Beide hatten versucht mir zu helfen. Aber beide waren Gefangene ihres Glaubens. Was zählte Kameradschaft, wenn man die Welt oder das Reich oder sonst was retten wollte? Wer alle Menschen retten will, verliert zuerst die Menschlichkeit. Ich lauschte nach Schritten im Gang. Jedes Mal, wenn sich Schritte näherten, packte mich die Angst. Ich redete mir ein, sie würden es nicht ein zweites Mal versuchen. Doch die Angst blieb. Sie begleitete mich übers Wochenende.
    *
    Am ersten Verhandlungstag in der neuen Woche beantragte ich wieder, den Zeugen Hermann Göring zu laden, Ministerpräsident des Landes Preußen und Vizekanzler des Deutschen Reichs. Als ich mit meiner Begründung fertig war, herrschte eine Weile Schweigen. Ich sah, wie Voß den Kopf schüttelte. Dann stand er auf. »Herr Senatspräsident, ich gestehe, es fällt mir schwer, die Ruhe zu bewahren. Ich will mich nicht lang auslassen, ich habe keinen Zweifel, dass dieses Gericht diese Ungeheuerlichkeit erneut gebührlich zurückweisen wird.«
    Der Senatspräsident schaute mich an, als wäre ich wahnsinnig geworden. Dann tauschte er Blicke mit den Beisitzern aus und sagte: »Der Antrag ist abgelehnt. Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen. Herr Oberreichsanwalt, sind Sie bereit, morgen Ihr Plädoyer zu halten?«
     

XX
    A ls ich am Morgen in den Gerichtssaal geführt wurde, spürte ich die Unruhe. Irgend etwas war anders. Sie brachten mich zur Anklagebank und lösten meine Hand- und Fußfesseln wie an jedem Prozesstag. Aber die Gerichtsdiener und auch der Staatsanwalt schienen nervös zu sein. An der Tür des Gerichtssaals hinter den Zuschauerbänken sah ich SA-Offiziere, die aufgeregt miteinander redeten. Hin und wieder verschwand einer schnellen Schritts im Gang, während andere zur Gruppe hinzustießen. Die erste Reihe der Zuschauerbänke wurde frei gemacht. Statt der Prozessbeobachter setzten sich SA-Offiziere dorthin. Das Gericht erschien nicht. So hatte ich mehr Zeit, mich mit dem Unvermeidlichen zu befassen.
    Ich nahm mir vor, nicht zusammenzuzucken, wenn der Oberreichsanwalt die Todesstrafe beantragte. Merkel hatte ich angewiesen, mir das Plädoyer allein zu überlassen. Aber ich fürchtete, es war gleichgültig, ob wir etwas sagten oder nicht. Ein kleiner Hoffnungsschimmer mochte darin liegen, dass der Senatspräsident sich mühte, mich anständig zu behandeln trotz des Drucks, unter dem auch er stand. Aber am Ende war er einer von diesen deutschen Nationalisten, den Nachfahren der kaiserlichen Flotten- und Kriegerverbände, der Freikorps, des Stahlhelms, der Deutschnationalen und Nationalsozialisten, der Geheimbünde und Fememörder. Sie duldeten oder begrüßten gar Mord und Totschlag, wenn es die richtigen Opfer traf. Für sie hatte der Krieg nie aufgehört. Doch dann sagte ich mir, der Senatspräsident könne
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