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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt
Autoren: Helmut Vorndran
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Er selbst befand sich in der beneidenswerten
Situation, sich vor Kurzem entliebt zu haben und sein Leben als Single in
vollen Zügen genießen zu können. Über Lagerfelds Beziehungsproblemchen konnte
er ergo nur müde lächeln.
    »Ich sag
dir was«, begann er seine geschlechtsspezifischen Belehrungen, »Frauen haben da
so gewisse Ansichten, was das Zusammenleben anbelangt. Und die haben nichts
mehr mit Harmonie zu tun, sondern erinnern eher an den Stellungskrieg zwischen
Deutschen und Franzosen im Ersten Weltkrieg. Das hat die Natur so vorgesehen,
das ist genetisch so vorbestimmt, mach dir also keine Illusionen. Ich bin da ja
schon einen Schritt weiter und habe diese Phase überwunden.« Gönnerhaft rekelte
sich Huppendorfer in dem schmuddeligen Cabriositz des alten Honda.
    »Das mit
Männern und Frauen funktioniert nur so lange, wie beide es schaffen, in ihren
eigenen Welten zu leben. Man verabredet sich, verbringt einen romantischen
Abend, genießt ein alkoholisches Getränk zusammen und fügt sich dann ab und
zu … Lust zu …« Er stockte kurz und blickte um Verständnis heischend
zu dem Fahrer hinüber, der aber mit gänzlich anderem Verkehr beschäftigt war.
»Na, du weißt schon, die Sache mit dem Bett. Das vermeidet Stress und ist der
einzig richtige Weg ohne jegliche Beziehungsfallgruben. Mann und Frau kriegen
das, was sie wollen, zeitlich limitiert natürlich, und anschließend gehen sie
wieder ihrer eigenen Wege.« Nachdenklich schaute er zu Lagerfeld, der gerade
die Stadtgrenze von Baunach erreicht hatte und sich auf das Beachten der
Verkehrsregeln konzentrierte. Das war die Gelegenheit für Kollege Huppendorfer,
sogleich weitere fundamentale Ansichten zum noch fundamentaleren Thema Mann und
Frau abzusondern.
    »Frauen
haben da oben eine völlig andere Architektur als wir«, sagte er eindringlich
und machte mit der rechten Hand eine drehende Bewegung auf Stirnhöhe, als würde
er ein Marmeladenglas aufschrauben. »Die wollen es gar nicht einfach haben in
diesem, unserem Leben und es sich schon überhaupt nicht einfach machen. Wenn
irgendwas einfach geht, ist das für die Mädels schon verdächtig, und wenn was
zu einfach geht, dann gehen sie lieber noch extra einen Umweg. Die brauchen
ihre Auswahlmöglichkeiten, haben’s einfach gern kompliziert«, sagte er mit
Bestimmtheit.
    »Hm«,
erwiderte Lagerfeld abwesend, während er den Stau überblickte, der sich an der
Kreuzung Richtung Ebelsbach gebildet hatte.
    »Schon
Nietzsche hat gesagt, die Zahl der glücklichen Ehen wäre höher, wenn die
Eheleute nicht zusammenleben würden. – Der war nicht blöd, der Nietzsche«,
fügte er noch mit erhobenem Zeigefinger hinzu.
    »Ehen?
Also, verheiratet sind wir ja zum Glück noch nicht«, sagte Lagerfeld, als er
sein Cabrio hinter dem sich auflösenden Ministau wieder in Bewegung setzte.
    »Aber
doch so gut wie«, erhob Huppendorfer seine Stimme. »Wenn ihr schon Bett, Klo
und Müllbeutel teilt, ist das doch der Anfang vom Ende.« Der Halbbrasilianer
schwieg demonstrativ resigniert und blickte mit dem Habitus der höheren
Erkenntnis aus dem Seitenfenster des Wagens. Das Ferkel Riemenschneider lag
während dieser speziellen männlich-menschlichen Diskussion auf dem Rücksitz,
hatte den Kopf auf beide Vorderfüße gelegt und gab sich der ihm eigenen
schweinischen Gleichmut hin.
    »Äh, was
hast du grad gesagt?« Lagerfeld war soeben dabei, einen Parkplatz vor dem
langen Gartenzaun zu finden.
    »Ach,
vergiss es«, meinte Huppendorfer genervt. Sollte Lagerfeld den ganzen
Beziehungsmist mit Wohnen, Streiten und Kühlschrankfachaufteilung doch selbst
von vorn bis hinten durchmachen. Er jedenfalls befand sich bewusstseinsmäßig
schon woanders, auf einer Art höheren Ebene der Erkenntnis sozusagen. So viel
war mal sicher.
    Sie
standen am Ortsende von Baunach Richtung Ebern unten im Wiesengrund, nicht weit
von der Baunach entfernt, dem kleinen Flüsschen, das dem Ort seinen Namen
gegeben hatte. Lagerfeld kannte das riesige Gartengrundstück nur vom
Hörensagen, genauso wie seinen Herrn, den Baron von Rotenhenne, der gemeinhin
als exzentrisch und reich galt. Oft war dies eine ziemlich gute Kombination, da
man sich in einer Position wie der seinen sicher sein konnte, bei Verletzungen
sozialer oder sonstiger Regeln aller Art zumindest finanziell weich zu fallen.
Der Reichtum des Barons von Rotenhenne war jedenfalls so gewaltig, dass er sich
das eigenwillige Hobby erlauben konnte, die vollkommen verfallene
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