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Der Chaos-Pakt

Titel: Der Chaos-Pakt
Autoren: L. E. Modesitt jr.
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den Augen, sondern mit den Sinnen nach Süden, wo einst Felder gewesen waren.
    Woher wusste er es? Er schauderte.
    Die Verbindung zum Wald, die er geöffnet hatte ... ein warmes Willkommen und ein Gefühl von Wohlbefinden überflutete ihn und mischte sich in das Chaos der Zerstörung, linderte die Schmerzen von Tod und Zerstörung ... Leben und Tod, Ordnung und Chaos ... aber die Pole entsprachen einander nicht völlig, sie waren einander nicht völlig gleich, beharrte ein halb vergessener Ingenieur irgendwo in seinem Hinterkopf.
    Er setzte sich aufrecht hin und schob die Schmerzen und das steife Gefühl beiseite. Nach einem Augenblick konnte er sogar aufstehen und das Zelt verlassen. Draußen roch die Luft nach Schwefel. Sehen konnte er immer noch nichts, aber was er spürte, reichte völlig aus. Verbrannte und verkohlte Erde, geschmolzener Stein, das Chaos unendlich vieler Toter, Gestank. Die Schreie von Männern und Magiern, die unter einer riesigen Flutwelle von Erde und Felsen begraben wurden, das Kreischen unschuldiger Pferde, die gefangen und verschüttet wurden und das Grasland nie wieder sehen sollten.
    Was er spürte, war mehr als genug. Er ließ Kopf und Schultern hängen unter der unsichtbaren Last und er wäre gestürzt, wenn ihn nicht mit kräftigem Arm und starker Seele die Frau aufgefangen hätte, die ihm zur Seite stand. Und natürlich half ihm auch das Gefühl des Gleichgewichts, das vom fernen Wald ausstrahlte ... Naclos hatte sich bereits verändert und war ... bewusster geworden.
    Er schluckte und richtete sich langsam wieder auf.
    »Du kannst auch nichts sehen, nicht wahr?«, fragte Ayrlyn.
    »Nein. Ich kann aber etwas spüren. Und du?«
    Ja. Dich ... den Wald ...
    »Agenten der Veränderung.«
    Agenten des Gleichgewichts ... Sie nickte und er spürte auch das Nicken, das er nicht sah.
    So standen sie auf dem Gelände, das zwei Tage nach der Schlacht noch nach Tod und Zerstörung stank, bis jemand zu ihnen trat. »Ihr zwei ... Ihr sollt doch nicht ...« Sylenia schüttelte den Kopf. »Ihr habt darüber geredet, dass Ihr wieder zum Wald gehen wollt, dabei könnt Ihr überhaupt nichts sehen.«
    »Wir müssen hin«, erklärte Ayrlyn.
    »Dann gehen wir mit Euch.«
    »Wir?«, fragte Nylan.
    »Tonsar kommt auch mit. Wir haben geredet. Es ist besser so. Er könnte jetzt den Herren von Lornth nicht mehr folgen, außer Ser Gethen, aber der ist alt.«
    »Fornal?«, fragte Nylan. Irgendwie hoffte er noch, Fornal hätte vielleicht doch überlebt.
    »Er ... er ist in den Bränden und Donnerschlägen umgekommen.« Sylenia zuckte mit den Achseln und sah sich um. »Auch das ist gut. Er hätte nicht hinnehmen können, was jetzt kommen wird.«
    Nylan holte tief Luft. »Was ist mit Weryl?«
    »Er hat zwischen Euch geschlafen. Manchmal hat er geweint und war von kleinen Feuern oder Lichtpunkten umgeben. Er schläft jetzt. Ja, er ist ein Engel wie Ihr, so jung er auch sein mag.« Sylenia schüttelte noch einmal den Kopf und kehrte zum Zelt zurück, das offenbar genau dort errichtet worden war, wo sie gestürzt waren.
    Sind wir so beängstigend, dass die Leute sich nicht einmal trauen, uns zu bewegen?
    Anscheinend.
    Nylan kicherte, aber die Belustigung verging ihm sofort wieder. Er hatte viel zu große Schmerzen, um herzhaft lachen zu können. »Nein, da gibt es nichts zu lachen.« Er überlegte. »Weryl?«
    »Aber natürlich. Er hat schon früh die Töne gespürt und er hat den Wald gefühlt.«
    Nylan holte tief Luft und kehrte langsam ins Zelt zurück. Jeder einzelne Muskel tat ihm weh. Wie Sylenia gesagt hatte, lag ihr Sohn, der inzwischen ebenso Ayrlyns wie Istrils Kind war, schlafend auf seinem Lager. Aber Nylan konnte das Geflecht von Ordnung und Chaos in ihm spüren, sein tiefes Gleichgewicht.
    Er wandte sich an Ayrlyn.
    »Er braucht den Wald genau wie wir«, meinte sie.
    Nylan nickte, riss sich von dem schlafenden Kind los und ging wieder nach draußen in die beißende Luft.
    »Nylan?« Ayrlyn musste einen Augenblick überlegen, ehe sie weitersprach. »Warum war er jetzt so viel größer als vorher? Nur weil du einen wichtigen Kanal geöffnet hast?«
    »Nur weil ich einen Kanal geöffnet habe?«, fragte er trocken zurück. »Nein, so tief ging es gar nicht. Es hat sich nur so angefühlt. Es gab hier früher ein natürliches Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos – fast wie zwischen den Erdschichten, die auf dem Magma schwimmen. Die Rationalisten haben eine künstliche Schicht der Ordnung über eine
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