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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon
Autoren: Douglas - Preston
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›Es ist für sie … Robbie … Geben Sie es ihr … niemand sonst … Um Himmels willen nicht zur Polizei … Sie müssen es … versprechen.‹ Und dann hat er gesagt: ›Sagen Sie ihr, dass ich sie liebe.‹«
    »Das hat er wirklich gesagt?«
    »Ja.« Er erzählte ihr nicht, dass Weathers den Satz nicht hatte vollenden können – der Tod war zu schnell gekommen.
    »Und dann?«
    »Das waren seine letzten Worte. Danach hat sein Herz aufgehört zu schlagen, und er ist gestorben.«
    Sie nickte und senkte den Kopf.
    Tom holte das Notizbuch aus der Tasche und hielt es ihr hin. Sie hob den Kopf, wischte sich die Tränen vom Gesicht und nahm es an.
    »Danke.«
    Sie schlug es ganz hinten auf, blätterte die leeren Seiten durch, hielt bei den beiden Ausrufezeichen inne und lächelte unter Tränen. »Eines ist sicher: Von dem Moment, als er den Dinosaurier gefunden hat, bis er ermordet wurde, war er jedenfalls der glücklichste Mann der Welt.«
    Langsam schlug sie das Buch zu und blickte zum Fenster hinaus in die sonnige Landschaft des südlichen Texas. Dann sagte sie langsam: »Meine Mutter hat uns verlassen, als ich vier war. Wer könnte es ihr verübeln – verheiratet mit einem Kerl, der uns kreuz und quer durch den Westen geschleift hat, von Montana bis nach Texas und durch jeden Staat dazwischen? Er war immer auf der Suche nach dem großen Fund. Als ich älter wurde, wollte er, dass ich mitgehe und wir beide zusammenarbeiten, aber … ich wollte damit nichts zu tun haben. Ich wollte nicht in der Wüste zelten und Fossilien suchen. Ich wollte nichts weiter, als mal eine Zeit lang am selben Ort wohnen und eine Freundin länger als ein halbes Jahr behalten dürfen. Ich habe den Dinosauriern die Schuld dafür gegeben. Ich habe Dinosaurier gehasst.«
    Sie zog ein Taschentuch hervor, trocknete sich die Tränen und faltete es im Schoß.
    »Ich konnte es nicht abwarten, endlich aufs College zu gehen. Ich musste mir das Studium selbst verdienen – Dad hatte ja nie Geld. Wir haben uns zerstritten. Und dann hat er vor einem Jahr angerufen und behauptet, er sei dem großen Fund auf der Spur, dem Dinosaurier aller Zeiten, und dass er ihn für mich finden würde. Das hatte ich schon so oft gehört. Ich wurde sehr wütend. Ich habe ein paar Dinge gesagt, die ich lieber nicht gesagt hätte, und jetzt werde ich sie nie wieder zurücknehmen können.«
    Der Raum war erfüllt von Licht und nachmittäglicher Stille.
    »Ich wünsche mir so sehr, er wäre noch hier«, fügte sie leise hinzu und verstummte dann.
    »Er hat etwas für Sie geschrieben«, sagte Tom und zog ein Päckchen aus der Tasche. »Wir haben die Briefe in einer Blechdose im Sand gefunden, unmittelbar neben dem Dinosaurier. «
    Sie nahm die Briefe mit zitternden Fingern. »Danke.«
    Sally sagte: »Das Smithsonian will den präparierten Dinosaurier in einem neuen Labor, das sie eigens dafür in New Mexico gebaut haben, feierlich enthüllen. Sie werden ihm auch einen Namen geben. Möchten Sie dabei sein? Tom und ich fahren hin.«
    »Ach … ich weiß nicht.«
    »Ich finde, Sie sollten mitkommen … Sie benennen das Fossil nach Ihnen.«
    Robbie riss den Kopf hoch. »Was?«
    »Es stimmt«, sagte Sally. »Das Smithsonian wollte das Fossil nach Ihrem Vater benennen, aber Tom hat sie davon überzeugt, dass Ihr Vater es ›Robbie‹ taufen wollte, nach Ihnen. Außerdem ist es ein weiblicher T-Rex – es heißt, die Weibchen seien größer und stärker gewesen als die männlichen Tiere.«
    Robbie lächelte. »Er hätte es nach mir benannt, ob es mir gefällt oder nicht.«
    »Und?«, fragte Tom. »Gefällt es Ihnen?«
    Eine Weile herrschte Schweigen, und dann musste Robbie erneut lächeln. »Ja. Ich glaube schon.«

Jornada del Muerto
    Vier Stunden später war die Dunkelheit vollkommen. Sie duckte sich in ihre Schlammkuhle, die Augen halb geschlossen. Das einzige Licht kam von den Flammen, die hier und da an den Platanen leckten. Der Sumpf hatte sich mit Dinosauriern und kleinen Säugetieren gefüllt, alles schwamm, schlug um sich, paddelte, panisch vor Angst, viele starben oder ertranken.
    Sie erwachte und fand leicht ein gutes Mahl.
    Die Luft wurde heißer. Wenn sie atmete, brannte es in ihrer Lunge, und sie hustete schmerzhaft. Sie erhob sich aus dem Wasser, um gegen die quälende Hitze zu kämpfen, zerfetzte und zerriss mit ihren mächtigen Kiefern die Luft.
    Die Hitze wurde schlimmer. Es wurde dunkler.
    Sie suchte tieferes, kühleres Wasser auf. Verendetes und sterbendes
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