Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander
Autoren: Ingeborg Bayer
Vom Netzwerk:
würdig. Auch wenn dies Gotteslästerung sein mag.
    Am anderen Morgen dann der Aufstieg zum Paß. Es hatte in der Nacht wieder geregnet, der Weg war glitschig, an manchen Stellen kaum breiter als fünf Ellen. Tief unter mir konnte ich eine Frau sehen, die auf einer Rinderhaut saß und von zwei Männern unter großen Mühen den Weg hinuntergezerrt wurde.
    Und ich reite, reite, reite.
    Ich spüre mich nicht. Manchmal erkundige ich mich nach dem Weg, reite weiter, ohne ihn wahrzunehmen, stelle dann irgendwann fest, daß es der falsche gewesen sein muß, weil nichts von dem, was mir beschrieben wurde, auftaucht. Manchmal reite ich wider besseres Wissen im gestreckten Galopp mit verhängten Zügeln, als wolle ich mir diese Frau aus dem Leib herausreiten. Aber ich weiß genau, daß sie sich in mir festgekrallt hat, daß ich sie nie mehr loswerde. Vermutlich nicht loswerden will. Wie ein Fisch, der sich von der Angel gerissen hat, aber den Haken in seinem Maul für alle Ewigkeit behält.
    Je näher ich Florenz komme, um so mehr steigt meine Erregung. Überall in den Orten wurde gefeiert, einmal sah ich, wie junge Männer einer Frau mit Zither, Viola, Laute und Gitarre ein Ständchen brachten. Kinder liefen Ball spielend durch die Gassen, eine Frau reichte mir einen Becher mit Wein, wollte mich zum Mitfeiern bei einer Hochzeit überreden. Als ich erklärte, daß ich nach Florenz unterwegs sei, lachte sie und sagte, daß sie dann verstehe, daß ich es eilig habe. Trinkt Euch durch die Toskana, hatte der Uhrmacher gesagt, durch das Mugello, dort findet Ihr den besten Wein. Und dann just im Mugello – von Florenz war noch nichts am Horizont zu sehen – das Pech mit meinem Pferd: Es hatte ein Hufeisen verloren, ohne daß ich es sofort gemerkt hätte. Es war klar, daß ich an diesem Abend nicht mehr weiter kam, zumal ich mich zu allem Überfluß auch noch verirrte. Ich stand irgendwo in der Wildnis und fand erst nach langem Suchen entlang eines Flußbetts einen Ort, der Rufina hieß und mich angenehm überraschte: Ich konnte bei einem freundlichen Wirt in einem einladenden Gasthof sowohl übernachten wie auch vorzüglich essen: Die Dienerin trug mir zunächst eine Schüssel Gemüsesuppe mit Hammelfleisch auf, dann ein gebackenes Huhn mit gedünsteten Äpfeln, später einen Eierkuchen und dies alles auf einer sauberen Tischdecke, was ganz gewiß nicht selbstverständlich war. Der Rotwein schmeckte prall nach Sommer, und ich mußte irgendwann mit dem Trinken innehalten, um die Treppe in meine Schlafkammer noch zu finden, in der das Bett an diesem Abend nur für mich allein bereitet war. Auch mein Pferd war gut untergebracht und bekam Hafer und Stroh in einem trockenen Stall, allerdings zunächst kein Hufeisen, denn der Hufschmied des Dorfes war am Vortag von einem Pferd getreten worden und lag bös an der Hüfte verletzt im Bett. Ich durfte also froh sein, wenn ich am nächsten Tag nach Florenz kam, vielleicht gerade noch rechtzeitig zum Neujahr, dabei war meine Heimatstadt nur noch wenige Meilen entfernt.
    Und noch einmal die Nacht des brennenden Salamanders.
    Ghita steigt in mir auf, überflutet mich, dringt in alle meine Poren, ich kann sie riechen, schmecken, fühlen, hören, als sei alles erst gestern geschehen. Und ich frage mich, auf was wir uns eigentlich geliebt hatten. Unsere Schlafstätte war keine Bettlade, es mußte eine überdimensionale pila gewesen sein, die Ghita mit Kissen ausgepolstert hatte. Kissen aus Seide. Unzählige Kissen, die sie in das Oktogon gebracht hat. Sie hat es allein gemacht, ohne ihre Dienerin. Sie hat ganz gewiß niemanden eingeweiht. Sie wird die Kissen angeordnet haben, je nach Farbe von hier nach dort und von dort nach hier verschoben, auch wenn sie sicher sein durfte, daß man diese Farben in der Nacht nur ahnen würde. Ich aber sehe die Farben vor mir: Ich sehe ihr geliebtes Azzurro, sie wird es für die Ränder genommen haben, als Begrenzung, nach der Mitte zu dann das Violett aus Lackmus, dann das Karmesin aus Cochenille, wie die Töne des Regenbogens, und schließlich das Gelb aus Gelbholz. Und ins Zentrum gerückt gewiß diesen Goldton, der rötlich schimmert.
    Mir ist ganz klar, daß irgendwo im Raum auch Musik gewesen sein muß. Und ich spüre plötzlich, wie sich irgend etwas in mir löst, etwas, das sich, seit ich Venedig verlassen habe, wie ein eisernes Band um meine Brust gelegt hat.
    Ich verließ mitten in der Nacht mein Lager, holte Ghitas Fläschchen, das ich bisher mehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher