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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander
Autoren: Ingeborg Bayer
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ist, fällt einem das Richtige ein.
    Ich legte meinen Pinsel auf ein Tuch und wischte ihn gewissenhaft ab. Dann ging ich in die Stadt. Und nahm Abschied von Venedig. Ein Abschied, den ich aus dem Augenblick heraus angesetzt hatte; er hätte noch nicht sein müssen.
    Ich hastete in jene alte, dem Verfall preisgegebene Kirche mit dem abblätternden Putz an den Wänden und stellte fest, daß die Farben inzwischen noch stärker verwittert waren. Irgendwer mußte sich mittlerweile für die kleinen geschwärzten Silberschildchen an den Bänken interessiert und einen Teil von ihnen weggenommen haben. Ich kniete nieder, wußte nicht, wozu ich kniete, beten konnte ich nicht – ich grübelte lediglich vor mich hin.
    Ich stellte mir vor, wie mein Leben weitergehen solle. Es war mir natürlich immer klar gewesen, daß Venedig nur ein Zwischenhalt sein würde, nicht der Ort, an dem ich für immer leben wollte. Die Fäden, die ich in den vergangenen Wochen zu diesem Palazzo und seinen Bewohnern gesponnen hatte, waren immer brüchig gewesen, nie so fest, wie ich es gerne gehabt hätte. Ich hatte auch stets vermieden, über diese Brüchigkeit nachzudenken, ich hatte gelebt, als habe es kein Zuvor gegeben, als sei nichts gültig gewesen außer der Gegenwart. Und sie hatte es ja wohl auch so gesehen.
    Ich hatte versäumt, über Nardo nachzudenken, weil er nicht mehr wichtig gewesen war für mich. War er deswegen verletzt, so hatte ich es nicht wahrhaben wollen. Vielleicht hatte er mehr erwartet, als ich zu geben bereit gewesen war. Ich hatte mich kopfüber in diese verrückte Liebe gestürzt, ohne nach links oder rechts zu schauen.
    Eine kurze Zeit lang überlegte ich, ob ich Ghita nachreiten solle nach Wien. Wie wäre es, wenn ich plötzlich in den Saal der Blumenzüchter hineinkäme, mich still in die hintere Reihe setzte und nichts tat, außer zu warten. Ich spielte mit dieser Idee, dachte mir Sätze aus, die ich sagen würde, die sie antworten würde. Dann wußte ich, daß es falsch wäre. Vermutlich war es genau so richtig, wie sie es entschieden hatte: Es konnte keinen Höhepunkt mehr geben nach jenem Höhepunkt, seine Einmaligkeit wäre sonst dahingeschmolzen wie der Schnee in der Sonne.
    Und diese Freundschaft zu Nardo, falls es überhaupt eine Freundschaft gewesen war, hatte nie die Chance gehabt, mehr zu werden. Ich hatte den Abstand immer gespürt, von Anfang an, er hatte sich nie verändert. Auch dann nicht, als wir in manchen Nächten zu dritt nach dem Stein der Weisen suchten. Und für mich war die Vorstellung, daß ich mit Mutter und Sohn die gleiche Nähe haben könnte, undenkbar und grotesk: Das, was zwischen Ghita und mir geschehen war, war nicht aus Zufall geschehen. Es war auch nicht aus dem Ruder gelaufen. Sie hatte es mit Bedacht gewählt.
    Für den Rest des Tages gingen Nardo und ich uns aus dem Weg. Es war nichts einfacher als dies. Das mittägliche Mahl nahm Nardo des öfteren außerhalb des Hauses ein, und am Abend sagte die Dienerin, seien Freunde von der Universität gekommen und hätten ihn in die Stadt entführt. Freunde von der Universität. Ich fragte mich, welche, da er bisher nicht eben oft welche in den Palazzo gebracht hatte.
    Ich ging zurück an meine Arbeit und erledigte all die Dinge, für die ich mir eigentlich hatte Zeit lassen wollen. Ich erledigte sie mit einer Nachlässigkeit, für die ich mich schämte.
    Natürlich konnte Nardo nicht wissen, daß dies mein letzter Abend war, vielleicht wäre er sonst zu Hause geblieben. Vielleicht wären wir miteinander in eine Schenke gegangen, obwohl Nardo nicht der Mann war, mit dem man in Tavernen saß. Man traf sich in der sala . Oder in diesem wunderschönen Garten. Oder am Brunnen.
    Als die Nacht hereinbrach, ging ich noch einmal in das Laboratorium, das mir seltsam verwaist erschien: Im Alkemor köchelte eine blaugrüne Flüssigkeit vor sich hin, es war jene, die drei Wochen benötigte, um das gewünschte Ergebnis zu zeitigen. In einem Tiegel war Blei, das vermutlich für eine Reinheitsprüfung diente, beides Arbeiten, die die zwei Diener überwachen sollten, die im Haus schliefen. Ich warf den Kopf in den Nacken und wehrte mich nicht gegen ein lautes Lachen: Blei war sowohl die unterste Stufe der Transmutation als auch das Symbol für die Unreife der Seele: Die Erlösung meiner Seele würde noch warten müssen.
    Beim Hinausgehen entdeckte ich auf dem Tisch ein kleines Fläschchen, das mir vertraut erschien. Ghita hatte es kürzlich von einem
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