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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander
Autoren: Ingeborg Bayer
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Auftrag, drei Pferdeschabracken zu bemalen, Rocco sollte zusätzlich eine Statue für die Loggia ausbessern und Leonello den Kamin im Wohnraum in Ordnung bringen, da er etwas davon verstand.
    Und bei der Aufzählung dieser Arbeiten fällt mir ein, daß ich noch immer nicht im Keller gewesen bin. Ich säubere also meine Hände und gehe in die Küche, wo mich das Bett nun plötzlich sehr stört. Es erscheint mir ein Sakrileg, daß es hier steht und benutzt wird. Und außerdem frage ich mich gereizt, ob ich nicht ebenso wie Rocco in der Lage wäre, Pfühle, Decken und Laken unter mich zu knäulen und wild zu beschlafen.
    Die Vorratskammer im Keller, zu dem ich auf einer steilen Steintreppe hinunterstieg, war üppiger, als ich mir hätte vorstellen können, auch wenn es mir in dieser Beziehung an Erfahrung mangelte: Im Institut waren wir dort nicht geduldet und im Haus am Arno noch viel weniger. Diese hier schien mir den Inbegriff der Völlerei zu verkörpern. Hier hatte jemand, vermutlich die Frau des Fattore, mit einer Sorgfalt ohnegleichen die Regale mit Dingen gefüllt, deren Zubereitung Wochen und Monate gekostet haben mußte. Da gab es die unterschiedlichsten Fleisch- und Fischsorten in getrocknetem Zustand, von der Decke herab hingen geräucherte Würste und Speckseiten, eingesalzene Fische, die man als Fastenspeise verwendete, waren in kleinen Holzkistchen aufbewahrt, gebeizte Fleischstücke in Essig eingelegt, die Töpfchen mit Rindsblasen zugebunden. Daneben standen Amphoren mit Maulbeersaft, Wacholdersaft, in Ingwersirup eingelegten Früchten und diversen Latwergen, alle mit kleinen Schildchen versehen. Ein ganzes Regal enthielt die unterschiedlichsten Liköre wie Quittenlikör, Schlehenlikör, Nußlikör, Zitronenlikör sowie Dinge, von denen ich nie zuvor gehört oder gelesen hatte; so kündete eine Aufschrift von ›Pfirsich-Ratafia‹, und ein Wandbrett beherbergte Töpfe mit unterschiedlich dick eingekochten Zuckerlösungen, was ich den Zetteln, die an den Gefäßen hingen und mich an Alchimie erinnerten, entnehmen konnte: ›1. Grad: Breitlauf‹, ›2. Grad: der kleine Faden‹, ›3. Grad: die große Perle‹, ›4. Grad: der leichte Flug‹, ›5. Grad: die große Blase‹. Das Brot, das auf hohen, an Seilen aufgehängten Gestellen lag, um es vor den Mäusen zu schützen, schien mir frisch gebacken; offensichtlich hatte die Frau des Fattore oder wer auch immer mit unserem Kommen gerechnet. Es gab also alles bis auf Molke und Milch, auf die ich wohl würde verzichten müssen. Und die eingelegten Eier wollte ich weitgehend für meine Malerei aufsparen.
    Wir hätten riesige Feste feiern können mit all diesen Vorräten, aber es war bekannt, daß solche Feste nur zu Lebzeiten der ersten Ehefrau des Messer Orelli stattgefunden hatten. Ich nahm Brot und eine Speckseite mit nach oben und setzte mich an den großen Küchentisch, aber so, daß ich nicht das Bett im Blickfeld hatte.
    Im April, an Ostern, würde also die Hochzeit stattfinden, hatte Brigidas Mutter gesagt. Bis dahin mußte die Kapelle fertig sein, hatte sie befohlen, obwohl klar war, daß es besser gewesen wäre, die Arbeiten in der warmen Jahreszeit vorzunehmen, so daß wir nicht der strengen Februarkälte ausgesetzt gewesen wären. Aber Brigidas Mutter hatte sich nie sonderlich um das Wohlergehen von Menschen gekümmert. Sie äußerte ihre Wünsche klar und deutlich, und sie wäre auch über Leichen gegangen, ihre Wünsche durchzusetzen. Das Mäzenatentum ihres Mannes störte sie ohnehin, wäre es nach ihr gegangen, wäre das Atelier vermietet und nicht kostenlos fünf jungen Männern überlassen worden, von denen man kaum erwarten durfte, daß sie jemals an Michelangelo oder Leonardo da Vinci heranreichten. Solche Meister hätte sie gern in ihrem Haus gesehen und es selbstverständlich als große Ehre betrachtet, wenn hier Kunstwerke entstanden wären, die alle Welt bewunderte. Und vermutlich hätte sie es nicht gestört, wenn diese großen Männer ihre Tochter verehrt hätten und nicht fünf junge Männer, die ihr lediglich den Kopf verdrehten und sie in all ihren – aus der Sicht der Mutter – unnatürlichen Neigungen auch noch unterstützten: Zu wissen, wer Dante, Petrarca, Boccaccio waren, war schlimm genug, sie gemeinsam mit jungen Männern zu lesen, schien Mona Orelli schon ein Werk der Vorhölle zu sein – sie hätte in ihrer Jugend nicht einmal gewagt, diese Bücher in die Hand zu nehmen.
    Und ich bin mir heute sicher, daß sie
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