Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Brandstifter

Der Brandstifter

Titel: Der Brandstifter
Autoren: Jane Casey
Vom Netzwerk:
oben nach unten kommuniziert, indem die Mitarbeiter seines Vertrauens sie an ihre Kollegen weitergaben. Diese wiederum erhielten Aufgaben und das entsprechende Personal, um ihren Auftrag eigenverantwortlich auszuführen. Er erwartete, dass die Betreffenden sich erst zurückmeldeten, wenn die jeweilige Aufgabe abgearbeitet war. Godley leitete die Ermittlungen in diesem Fall, der zum Medienereignis des Jahres, wenn nicht des Jahrzehnts, geworden war. Dabei war er viel zu sehr mit den Journalisten beschäftigt, als dass er sich um jedes Detail des Falles selbst kümmern konnte. Ausgerechnet mich hatte er in seinen Stab geholt, und obwohl ich immer noch nicht so genau wusste, warum, wollte ich ihn keinesfalls enttäuschen.
    » Ach, nichts weiter.« Rob hatte offensichtlich keine Lust mehr, mich aufzuziehen. Er holte sein Handy hervor und begann gähnend, seine Nachrichten durchzusehen. Ich ließ ihn dabei in Ruhe und war froh über die kurze Pause. Das lange Warten auf einen Durchbruch in diesem Fall war lähmend und nervenaufreibend zugleich gewesen. Nun, da er unmittelbar bevorstand, war noch ein bisschen Geduld kein Problem.
    Aber nervös war ich trotzdem.
    Lange musste ich auch nicht warten, denn schon nach wenigen Minuten öffnete sich eine Seite der großen zweiflügeligen Tür, die zur Intensivstation führte. Rob und ich drehten uns um und sahen eine Krankenschwester, die sich aus der Tür lehnte. Sie war sehr jung, hatte blonde Strähnchen im Haar und Solariumbräune auf der Haut. Ich bewunderte ihren glamourösen Auftritt zu so früher Stunde. Nach einem kurzen, abschätzigen Blick auf mein nasses Haar und mein ungeschminktes Gesicht lächelte sie Rob süßlich an. Na, die hast du ja schon ordentlich angeflirtet …
    » Ihr Chef möchte Sie sprechen.«
    Gleichzeitig standen wir auf. Rob war ein Stück größer als der Durchschnitt, aber mit meinen Absätzen war ich ihm durchaus ebenbürtig. Auge in Auge schauten wir uns an, und Rob runzelte die Stirn.
    » Er wollte mich sehen, nicht dich.«
    » Er weiß ja nicht, dass ich hier bin«, säuselte ich. » Wenn er es wüsste, würde er mich sprechen wollen.«
    » Ich sage ihm, dass du draußen wartest.«
    » Das sag ich ihm lieber selbst.«
    Da war es wieder. Sosehr ich Rob auch mochte und so gut wir sonst miteinander auskamen, wenn wir um die Aufmerksamkeit des Chefs buhlten, benahmen wir uns ungefähr so erwachsen und vernünftig wie Kleinkinder beim Streit um ihr Lieblingsspielzeug.
    » Mach, wie du denkst.« Er warf sich seine Jacke über die Schulter und ging an mir vorbei, wobei er die Schwingtüren heftig aufstieß. Kein Gedanke daran, dass er sich noch einmal umdrehte oder mir gar die Tür aufhielt. Nicht dass ich als Frau eine Sonderbehandlung erwartete, aber ganz so unhöflich musste es nun wirklich nicht sein. Ich ließ meinen Kaffeebecher auf dem Stuhl stehen und heftete mich an seine Fersen. Es war keine Einbildung, dass er seinen Schritt beschleunigte, um auf jeden Fall als Erster anzukommen. Wenn ich gewusst hätte, wo wir hinmussten, wäre ich vielleicht versucht gewesen, ihn einzuholen, aber so begnügte ich mich damit, mir immer einen Schritt hinter ihm den Weg durch die Intensivstation zu bahnen.
    Es überraschte mich nicht, dass Chief Superintendent Godley ein gesamtes Wartezimmer für seine Zwecke okkupiert hatte. Auf dem Tisch lagen Akten, und ein Laptop surrte leise vor sich hin. Vor dem Bildschirm hockte ein dürrer, brünetter Typ mit Brille und verkniffener Miene– DI Thomas Judd. Auch das war wenig verwunderlich, denn egal, wohin Charlie Godley auch ging, Tom Judd war in seiner Nähe. Obwohl ich ihn nicht sonderlich mochte, musste ich zugeben, dass er die organisatorische Seite der Ermittlungen bislang hervorragend im Griff hatte. Godley saß zurückgelehnt auf einem niedrigen Stuhl, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Hemdsärmel hochgekrempelt. Er wirkte müde, aber trotzdem hochkonzentriert. Er war früh ergraut und hatte schon beinahe weißes Haar, sah aber trotzdem nicht alt aus– ganz im Gegenteil. Die Kombination aus silberglänzendem Haar und blauen Augen war ein echter Hingucker, zumal Godley groß und breitschultrig war. Obendrein war er so fotogen, dass die Medien ihm regelrecht zu Füßen lagen. Aber er sah blass aus, seine Augen waren rot gerändert und müde. Ich musste eine Woge des Mitgefühls unterdrücken, denn der Chef mochte es überhaupt nicht, wenn man ihm um den Bart ging. Er hatte keinerlei Ambitionen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher