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Der Brandstifter

Der Brandstifter

Titel: Der Brandstifter
Autoren: Jane Casey
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lästig.
    Ich saß auf der Bettkante und kämpfte mit der Strumpfhose. Die Haut an den Beinen war noch feucht, und ich hatte Angst, das dünne Gewebe zu zerreißen. Von meinen nassen Haaren tropfte es auf die Schultern, und kaltes Wasser lief mir den Rücken hinunter. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Ich hatte keine Zeit für picobello. Langsam, unendlich langsam, streifte ich mir die Strumpfhose über die Oberschenkel und stand auf, um sie komplett anzuziehen. Das ist sicher nicht der eleganteste Moment beim Anziehen, weshalb ich alles andere als begeistert war, als ich beim Umdrehen feststellen musste, dass Ian mich mit steinerner Miene anstarrte.
    » Das war’s dann also jetzt?«
    » Was meinst du damit?« Ich schlüpfte in ein Oberteil, stieg in meinen Rock, schloss den Reißverschluss und strich ihn über den Hüften glatt. Das war schon viel besser. Zivilisierter. Ich merkte, dass der Bund sehr locker saß und der Rock mir eher auf den Hüften hing als in der Taille. Dadurch endete der Saum statt über dem Knie ein Stück darunter und sah nicht mehr chic, sondern ziemlich altbacken aus. Ich musste mehr essen und mir mehr Ruhe gönnen.
    » Ich meine, ist das jetzt endlich vorbei? Bist du dann wieder öfter zu Hause?«
    » Wahrscheinlich. Noch nicht gleich– wir müssen erst noch den Papierkrieg hinter uns bringen und den Fall für die Staatsanwaltschaft vorbereiten. Aber danach schon.«
    Falls dann nicht schon wieder ein Serienmörder in den Startlöchern sitzt und nur darauf wartet, an das Treiben des Brandmörders anzuknüpfen. Falls bis Weihnachten nicht noch irgendwas schiefging. Falls alle Kriminellen in London den Rest des Jahres frei machten.
    Ich machte mich auf die Suche nach meinen Schuhen, nach den Pumps mit den halbhohen Absätzen. Die waren zwar nicht gerade angesagt, aber dafür konnte ich sie von frühmorgens bis Mitternacht tragen, ohne dass meine Füße sich beschwerten. Wenn es sein musste, konnte ich sogar damit rennen. Ein Schuh lag in der Zimmerecke, wo ich ihn ausgezogen hatte. Den anderen fand ich schließlich unter dem Bett und musste mich der Länge nach hinlegen, um ihn vorzuholen.
    » Ich finde es unmöglich, dass sie nur pfeifen müssen, und schon kommst du angerannt.« Er klang jetzt sehr wach und ziemlich sauer. Mein Mut sank.
    » Das ist nun mal mein Job.«
    » Ach so, ja klar, dein Job. Ich vergaß.«
    » Bitte nicht jetzt«, sagte ich, rutschte entschlossen in meine Schuhe und griff nach dem Handtuch. » Ich muss jetzt los. Es ist wichtig, und das weißt du ganz genau.«
    Er hatte sich halb aufgerichtet und auf den Ellbogen gestützt, seine blauen Augen funkelten mich unter den buschigen Augenbrauen feindselig an, und sein braunes Haar war ungewohnt wirr. » Ich weiß nur, dass ich dich seit Wochen kaum noch sehe und dass ich heute Camilla anrufen muss, um ihr zu sagen, dass du doch nicht mit zum Abendessen kommen kannst und es mir leidtut, wenn dadurch ihre Sitzordnung ruiniert ist. Ständig geht dein Job vor.«
    Ich ließ ihn reden, rubbelte mir die Haare mit dem Handtuch trocken und bearbeitete sie anschließend mit dem Kamm, damit sie wenigstens etwas gebändigt waren. Sie zu fönen, blieb keine Zeit mehr, sie mussten auf dem Weg zum Krankenhaus trocknen. Ein paar hellere Strähnen kringelten sich schon ins Gesicht.
    » Camilla arbeitet in einer Kunstgalerie und hat den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als Sitzordnungen für ihre netten Dinnerpartys zu entwerfen. Sie kann daran nur wachsen.«
    Er ließ sich wieder auf den Rücken fallen und starrte an die Decke. » Muss das immer sein?«
    » Was denn?« Ich hätte besser nicht nachfragen sollen.
    » Dass du meine Freunde schlechtmachst, weil sie keinen so aufregenden oder superwichtigen Job haben wie du.«
    » Jetzt krieg dich wieder ein…«
    » Nicht alle wollen die Welt retten, Maeve.«
    » Ja klar, dass sie toll aussieht, ist mindestens genauso wichtig«, fauchte ich und bedauerte es im selben Moment. Camilla war nett, ehrlich und derart naiv und ahnungslos, dass in jedem, der sie kannte– mich eingeschlossen– sofort der Beschützerinstinkt erwachte. Normalerweise. Mein spitzer Tonfall hatte teils mit Erschöpfung und teils mit schlechtem Gewissen zu tun. Ich hatte tatsächlich überlegt, ihre Dinnerparty zu schwänzen. Nicht dass ich Ians Freunde nicht mochte, aber ich hatte die Fragerei satt. Und, spannende Fälle in letzter Zeit? Wieso habt ihr denn den Brandmörder immer noch nicht erwischt? Was war das
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