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Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)

Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)

Titel: Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
Autoren: Nataly Bleuel , Michael Kuhr
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herrschte, von 1975 bis 1990. Sie kamen also nicht als Gastarbeiter, das heißt, sie durften nicht arbeiten und mussten von Sozialhilfe leben.
    Diejenigen Libanesen, die nach Deutschland kamen, waren schon im Libanon relativ arm gewesen. Viele reisten über Ostberlin nach Deutschland ein. Nach Frankreich sind sehr viel mehr reiche Libanesen gegangen, dort haben sie heute einen viel positiveren Ruf als bei uns.
    Die Palästinenser und Mhallami-Kurden waren schon im Libanon nicht als Staatsbürger anerkannt worden, weswegen sie dort teilweise in Flüchtlingslagern gelebt hatten. Die Mhallami-Kurden sprechen einen arabischen Dialekt. Nicht Kurmançi, also Kurdisch, oder Türkisch. Man weiß nicht genau, woher sie stammen. Weder die Kurden noch die Türkei wollten sie integrieren. Der Libanon dann auch nicht. Wie die Palästinenser bekamen sie dort Arbeitsverbote und hatten keinen Anspruch auf staatliche Fürsorge, auf das Gesundheitswesen, auf schulische Bildung.
    Libanon-Flüchtlinge konnten nicht von Deutschland in den Libanon abgeschoben werden. Teilweise hatten sie ihre Dokumente selbst vernichtet. Viele hatten gar keine. Und der Libanon weigerte sich, welche auszustellen. Deswegen behaupten auch viele andere Migranten – beispielsweise aus der Türkei –, sie seien Palästinenser oder Mhallami-Kurden aus dem Libanon. Weil sie wissen, sie können dann nicht abgeschoben werden.
    Manchmal gehen die Pässe auf dem Flug nach Deutschland hops. In letzter Zeit besonders bei Jungen unter 14. Die werden von einigen Clans nach Deutschland geschleust und auch in Berlin als Drogenkuriere eingesetzt. Weil Kinder unter 14 – und dann noch ohne geklärte Identität – nicht juristisch belangt werden können. Das ist Menschenhandel. Der Menschenhandel, der im Strafregister einiger Apachen auftaucht.
    In Deutschland galten die Libanon-Flüchtlinge als »Scheinasylanten« und »Wirtschaftsflüchtlinge«. Man machte ihnen das Leben schwer, im Glauben, das würde sie abschrecken. In den 80er Jahren mussten sie in Sammelunterkünften leben, durften nicht arbeiten, keine Ausbildung und kein Studium machen, und sogar die Schulpflicht wurde aufgehoben.
    Die Arbeitslosenquote liegt bei den libanesisch-kurdischen Migranten heute noch bei 90 Prozent. 86 Prozent haben keinen Schulabschluss. Es entstand eine Generation von Analphabeten.
    Und eine Entwicklung, die wir heute als »Scheitern der Integration« bezeichnen. Wenn man in einem Land nicht erwünscht ist, bleibt man unter seinesgleichen und baut sich eine eigene Welt auf. Dann hält man sich nicht an irgendeinen Staat, sondern an die Familie oder den Clan. Die Familie ist das Zuhause, wo immer man hinkommt: in der Türkei, im Libanon, in Deutschland.
    Ohne Bildung einen guten Lebensstandard und gesellschaftlichen Status zu erlangen ist legal kaum möglich, also wurden illegale Methoden entwickelt. So entsteht Kriminalität. Und wenn sie von mehreren Mitgliedern einer Gruppe organisiert wird, organisierte Kriminalität. Wenn die dann noch vom Vater auf den Sohn und vom Onkel auf den Cousin weitergegeben wird, entsteht eine Tradition von Kriminalität. Die Strukturen werden wie ein Erbe weitergereicht. Von der einen Generation zur nächsten, von einem Ort zum anderen. Man baut ein Netzwerk auf. Das hält besonders gut, wenn die Mitglieder Verwandte sind. V-Männer lassen sich da nicht einschleusen, schließlich kennt ja jeder seine Verwandten.
    Das Netz wächst und verzweigt sich schnell, wenn es viele Kinder gibt, acht oder mehr pro Ehepaar. Und weil auf die Familie mehr Verlass ist als auf Freunde oder Kollegen, verheiratet man die Kinder möglichst innerhalb der Sippen. Manche Verwandte sind weitergezogen nach Holland und Skandinavien. Daraus entstanden internationale Handelsbeziehungen, die man hervorragend für den Drogenhandel nutzen kann.
    Der uralte Wertekodex unter den Männern gilt dabei grenzübergreifend: Ehre und Rache. Wer nicht mitmacht, wird mit dem sozialen oder dem echten Tod bedroht. Welche Rolle Frauen in diesen archaischen Machtstrukturen spielen, ist bekannt: keine. Oder eine untergeordnete, dienende.
    Wenn man nicht gewollt wird in einem Land und nicht als gleichwertiger Bürger behandelt wird, dann macht man auch dicht. Baut eine eigene Welt. Parallelwelten mit eigenen Regeln und Gesetzen! Und denkt: Warum sollte ich dieses Land mit seinen Regeln respektieren? Oder sogar: Ich nutze das jetzt aus! Bis hin zu: Denen werde ich es zeigen!

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