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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch
Autoren: Aufbau
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die Lippen zu einem Strich zusammengepresst. Er schüttelte nur den Kopf.
    »Du wirst uns wohl nicht sagen wollen, wer die treibende Kraft bei all dem war?« Fidelma zuckte die Achseln und sah Abt Iarnla an. »Wer, mehr als alle anderen, wollte den Ruf der Abtei schützen und sie, wie ich eben gesagt habe, berühmt machen in der ganzen Christenheit als Bollwerk des Glaubens und der Gelehrsamkeit? Wer wollte diese Abtei als ein großes Monument des Glaubens errichten, das für immer und ewig bleibt?«
    Viele im
refectorium
schauten nun unverhohlen feindselig auf Bruder Lugna, während andere abschätzige Blicke auf den Abt richteten.
    »Wer verfügt hier über die oberste Gewalt?«, fragte Fidelma langsam und entschieden.
    Die Augen aller Brüder wanderten zu Abt Iarnla. Der starrte fassungslos vor sich hin, wurde dann aber des flüchtigen Lächelns gewahr, das um ihre Lippen spielte. Erschrocken riss er die Augen auf, und ein Ausdruck des Entsetzens glitt über seine Züge, während er den Kopf Lady Eithne zudrehte. Jedermann folgte seinem Blick.
    »Das ist eine unverschämte, schändliche Anschuldigung«, rief Lady Eithne aus, rührte sich aber nicht von ihrem Sitz. »Werde ich etwa angeklagt, meinen eigenen Sohn getötet zu haben? Das kann ich und werde ich mir nicht bieten lassen.«
    »Hast du deinen Sohn ermordet?«, drang die Anwältin mit eiskaltem Ton in sie.
    »Ich habe meinen Sohn geliebt. Außerdem wäre es mir auch rein körperlich unmöglich gewesen, das zu tun, was mir hier unterstellt wird. Nach meinem Besuch bei ihm, um den mich Bruder Lugna eigens gebeten hatte, blieb Donnchadwie stets allein in der Zelle zurück. Es gab nur einen Schlüssel zu ihr, und der wurde neben dem Leichnam meines Sohnes in der verschlossenen Kammer gefunden.«
    »Du hattest einen weiteren Schlüssel anfertigen lassen«, stellte Fidelma nüchtern fest.
    »Und wie soll ich das zuwege gebracht haben?«
    »Recht einfach. Ich hatte übersehen, dass du deinen Sohn zweimal in seiner Zelle aufgesucht hast. Das hätte mir von Anfang an auffallen müssen, als Bruder Lugna uns die Vorgänge der letzten Tage schilderte.« Erklärend wandte sie sich dem Richter zu. »Bruder Donnchad verschwand für einen Tag, kam aber am Abend zurück und schloss sich in seiner Zelle ein. Das war vier Tage vor seinem Tod. Bruder Lugna berichtete mir, er hätte am nächsten Tag Lady Eithne rufen lassen, sie sei auch gekommen und sei in Donnchads Zelle gewesen. Das war drei Tage vor seinem Tod. Noch am selben Tag ist Donnchad ins
scriptorium
gegangen. Bruder Máel Eoin hatte vor unseren Ohren Bruder Donnán daran erinnern müssen, dass der Gelehrte sehr verstört war, weil er sein Wachstäfelchen vermisste, auf dem er sich Notizen machte, er glaubte, es verlegt zu haben. Doch er hatte es gar nicht verlegt, wie ich später erkannte, Lady Eithne hatte es bei ihrem Besuch an sich genommen.«
    »Wozu, weshalb hätte ich eine Wachstafel nehmen sollen?«
    »Weshalb? Du hast das Täfelchen genommen und hast den Schlüssel darauf gepresst, sodass sich die Form des Schlüsselbarts darauf abbildete. Dann hast du es in deinen Gewändern verborgen. Zweifelsohne hast du Donnchad irgendwie abgelenkt, während du den Abdruck machtest. Ich habe gesehen, dass du in deiner Burg auch einen Schmied hast. Es dürfte für ihn ein Leichtes gewesen sein, einenZweitschlüssel nach dem Abdruck anzufertigen. Der ursprüngliche Schlüssel hat nie die Zelle verlassen. Als Bruder Giolla-na-Naomh ihn mir reichte, war noch der Wachsfilm zu spüren.«
    »Das stimmt«, rief der Schmied unaufgefordert dazwischen.
    Lady Eithnes Mund hatte sich zu einem schmalen roten Spalt verformt.
    »Am Tage seines Todes hast du Donnchad ein zweites Mal aufgesucht. Du bist mit der Absicht hingegangen, ihn zu töten. Nachdem du ihn ermordet und alle Pergamente, Manuskripte und Handschriften aus dem Fenster deinem Helfershelfer, Bruder Donnán, zugeworfen hattest, konntest du den Schlüssel neben seine Leiche legen und die Kammer verlassen. Die Tür hast du mit deinem Nachschlüssel abgeschlossen. Erst als ich begriff, dass du deinen Sohn zweimal besucht hattest, erschloss sich mir das Gesamtbild der Ereignisse.«
    Einen Augenblick herrschte atemlose Stille, dann gellte Bruder Lugnas Stimme durch den Raum: »Ich hatte mit all dem nichts zu schaffen!«
    »In gewisser Weise doch, du bist der Hauptverursacher dieses Geschehens«, wies ihn Fidelma unerbittlich zurecht. »Man wird dir nicht den Mord anlasten, auch
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