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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch
Autoren: Aufbau
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verleugnen«, beharrte Bruder Lugna widerborstig. »Zumindest will ich nicht als Sünder und Gotteslästerer sterben wie Donnchad.«
    »Also du hast Bruder Donnchad getötet!«, erhob der Abt anklagend die Stimme. »Du hast es soeben eingestanden.«
    Im
refectorium
brandete erneut eine Woge wilden Lärms auf.
    »Das weise ich entschieden von mir!«, schrie der Verwalter, zornesrot im Gesicht.
    Brehon Aillín stieß wiederholt mit dem Amtsstab auf, doch es dauerte lange, bis es ihm gelang, die Rufe der Überraschung und Empörung einzudämmen.
    Als wieder einigermaßen Ruhe eingekehrt war, hob Fidelma die Hand.
    »Lasst uns zu der Antwort in gehöriger Ordnung vordringen«, sagte sie mit Blick auf den Richter.
    Der suchte seiner Amtsgewalt Ausdruck zu verleihen. »Wir haben über sehr widerstreitende Dinge zu entscheiden. Nach dem, was du bisher vorgetragen hast, bin ich gewillt, dich fortfahren zu lassen. Du wirst wissen, warum du so und nicht anders vorgehst. Doch ich ermahne dich um des Friedens willen in dieser Abtei, komm auf den Punkt, so rasch es nur geht.«
    »Ich werde mich so kurz fassen, wie es die Umstände erlauben.« Fidelmas Stimme klang ernst und gewichtig. Dann wandte sie sich den im
refectorium
Versammelten zu. »Die Ansichten, die Bruder Lugna zum Ausdruck gebracht hat, zeigen die Unduldsamkeit, gegen die wir uns, meiner Meinung nach, wappnen müssen. Glaubensdinge sind gewiss hoch und heilig, doch wir dürfen nicht unduldsam sein gegenüber anderen, deren Überzeugung wir missbilligen. Eine solche Unduldsamkeit kann zu Krieg und Mord führen. Der Mord an Bruder Donnchad hat uns das bewiesen.
    Wie bei der Tötung des Baumeisters Glassán sind auch in den an Bruder Donnchad verübten Mord zwei Menschen verstrickt. Beide sind blindwütige Eiferer für den Glauben und konnten nicht einen Menschen dulden, der, ob nun zuRecht oder Unrecht – ich maße mir kein Urteil darüber an – begann, Fragen aufzuwerfen, anstatt einfach nur zu glauben. Sobald sie erfuhren, dass Bruder Donnchad sich in Werke vertiefte, die dem Neuen Glauben gegenüber kritisch waren, und dass er die Absicht hegte, eine gelehrte Abhandlung darüber zu verfassen, beschlossen sie, ihn zum Schweigen zu bringen. Man musste ihn daran hindern, seine Zweifel zu verkünden oder seine Fragen laut werden zu lassen, denn das würde, wie sie es sahen, Schande über die Abtei bringen.«
    Viele Köpfe gingen zu Bruder Lugna und Abt Iarnla. Beider Mienen blieben steinern.
    Brehon Aillín beugte sich erregt vor. »Erhebst du nun Anklage gegen den Abt oder gegen seinen Verwalter? Oder gegen beide? In der Abtei nimmt niemand eine höhere Stellung ein als sie, niemandem wäre mehr daran gelegen, den Ruf der Abtei zu schützen als ihnen.«
    »Ich bitte um ein wenig Geduld«, beschwichtigte ihn Fidelma. »Zunächst müssen noch die Umstände, unter denen der Mord geschah, geklärt werden. Eine der beiden Personen hat den Mord geplant, die andere war ihr Helfershelfer. Eine von ihnen betrat Bruder Donnchads
cubiculum
und tötete ihn. Es galt, alle Manuskripte, die Bruder Donnchad in seiner Zelle hatte, zu entfernen, denn sie offenbarten, womit er sich befasste. Man musste verhindern, das andere von den Schriften Kenntnis erhielten.«
    »Wie willst du das beweisen?«, rief der Abt erbost. »Zu dem
cubiculum
gab es nur einen Schlüssel, und den besaß allein Bruder Donnchad. Der Schlüssel aber lag neben seiner Bettstatt, als wir den Toten fanden. In dem Zeitraum, bevor sein Leichnam entdeckt wurde, ist keiner aus seiner Zelle gekommen und hat Schriftstücke fortgeschafft.«
    »Hier nun kam die zweite Person ins Spiel. Der Ehrwürdige Bróen brachte mich darauf mit seiner Geschichte, er habe einen Engel in Weiß am Himmel schweben sehen. Die Zelle des Ehrwürdigen Bróen liegt unter der von Bruder Donnchad. Was er tatsächlich gesehen hatte, war ein großer Bogen Pergament, der im Wind vorbeiflatterte. Der Mörder warf die kostbaren Manuskripte aus dem Fenster, nachdem er Donnchad erledigt hatte. Das Fenster, wie bekannt, geht hinaus zum Ödland, das sich vor dem Friedhof der Abtei erstreckt. Das Fenster war zu klein, als dass dort jemand einsteigen oder herausklettern konnte. Aber es war groß genug, die Schriftstücke der zweiten Person zuzuwerfen, die um die Mauern herumgegangen war und auflas, was herabfiel.«
    Für alle unerwartet, drehte sie sich um. »Was ist mit den Aufzeichnungen geschehen, Bruder Donnán? Sind sie vernichtet worden, nachdem du
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