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Der blonde Vampir

Der blonde Vampir

Titel: Der blonde Vampir
Autoren: Christopher Pike
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benutzen, um die Sprengkapsel der Bombe zu verbergen, die ich unter die Stahlplatte legen werde. Ich bohre ein Loch in den Tisch, durch das ich ein Metallseil führe, welches ich bis zu der Stahlplatte lege. Das eine Ende des Seils verstecke ich unter einem Lampenfuß, das andere befestige ich an der Zündkapsel. Wenn die Zeit da ist, werde ich einmal heftig auf den kleinen Tisch schlagen, das Seil wird die Zündkapsel aktivieren, und die erste Bombe wird hochgehen und Ray und mich in die Luft jagen.
    Die andere Bombe sollte etwa gleichzeitig gezündet werden, sage ich mir – und erkenne erneut, daß dies die Schwachstelle in meinem Plan ist. Ich hoffe, daß Ray und ich zu diesem Zeitpunkt schon hoch genug in der Luft sein werden, so daß die Stahlplatte ausreicht, uns vor der Druckwelle der zweiten Explosion zu beschützen.
    Die Bombe unter der Platte zu befestigen, dauert nur wenige Minuten. Ich nehme zwanzig Stangen Dynamit, das muß reichen. Fünfzig Stangen, eine ganze Kiste, plaziere ich am Kamin neben dem bequemsten Stuhl im ganzen Haus. Diesen Platz werde ich Yaksha anbieten. Ob wir leben oder sterben, wird davon abhängen, wie genau meine Berechnungen sind – und wie gut wir unsere Rollen vor Yaksha spielen. Dies ist die zweite Schwachstelle in meinem Plan: die Möglichkeit, daß Yaksha etwas ahnt. Aus diesem Grund habe ich Ray angewiesen, so wenig wie möglich zu sagen, am besten gar nichts. Ich selbst, so hoffe ich, werde es schaffen, Yaksha ins Gesicht zu lügen. Zu lügen ist für mich nicht schwieriger, als die Wahrheit zu sagen, manchmal sogar leichter.
    Ray und ich sitzen auf unseren präparierten Stühlen und unterhalten uns. Die Bombe in der Kiste ist etwa dreißig Fuß von uns entfernt. Die riesigen Oberlichter über uns habe ich bereits geöffnet. Die kalte Nachtluft kühlt unsere Wangen. Selbst bei geöffneten Fenstern wird es uns nicht gelingen, unverletzt nach draußen geschleudert zu werden. Das sage ich Ray, aber er scheint sich deswegen keine Sorgen zu machen.
    »Ich bin heute vor ein paar Stunden schon einmal gestorben«, sagt er.
    »Du mußt deine Nase ja geradezu ans Glas gepreßt haben, um mit der Scheibe herauszufallen.«
»Das habe ich erst getan, als er auf der Flöte zu spielen begann.«
Ich nicke. »Er hat dabei aufs Haus gesehen. Wahrscheinlich hat er dich mit der Kraft seiner Blicke nach draußen gezogen. Er hat die Macht, so etwas zu tun. Er hat die Macht, vieles zu tun.«
»Ist er mächtiger als du?«
»Ja.«
»Wieso ist er das?«
»Er ist der erste Vampir.« Ich sehe auf die Uhr.
Noch eine Stunde bis zur Dämmerung. »Möchtest du die Geschichte seiner Geburt hören?«
»Ich möchte all deine Geschichten hören.«
Ich lächle. »Du hörst dich an wie Seymour. Ich habe ihn heute nacht besucht, während du geschlafen hast. Ich habe ihm ein Geschenk gebracht. Was es war, werde ich dir ein andermal erzählen.«
Ich zögere und hole tief Luft. Ich brauche das, um neue Kräfte zu sammeln. Die Bombenlegerarbeit der vergangenen Stunden hat mich erschöpft. Wo soll ich mit meiner Geschichte beginnen? Wo soll ich sie beenden? Es erscheint mir nicht richtig, daß in einer Stunde vielleicht alles vorüber ist. Richtig – was für ein merkwürdiges Wort für einen Vampir. Ich habe in meinem Leben jedes Gebot der Bibel verletzt, jedes Gesetz der Vedas gebrochen. Der Tod kommt nie zur richtigen Zeit, das ist die Wahrheit, auch wenn sich die Sterblichen vielleicht etwas anderes vormachen. Denn der Tod ist ein Dieb – er nimmt, was ihm nicht gehört.
Ich erzähle Ray von Yakshas Geburt und wie Yaksha auch mich in einen Vampir verwandelt hat. Ich erzähle ihm von meiner Begegnung mit Krishna, aber plötzlich fehlen mir die Worte. Ich weine nicht, ich tobe nicht. Ich kann einfach nicht über ihn sprechen. Ray versteht das, und er schlägt mir vor, über andere Phasen meines Lebens zu reden.
»Warst du auch im alten Griechenland?« fragt er. »Die griechische Antike hat mich immer besonders fasziniert.«
Ich nicke. »Ich war sogar lange dort. Ich habe Sokrates kennengelernt und Plato und Aristoteles. Sokrates erkannte, daß ich kein Mensch bin, doch ich habe ihm keine Furcht eingejagt. Er war wirklich furchtlos, dieser Mann. Er lachte, als er das Gift trank, mit dem sein Todesurteil vollstreckt wurde.« Ich schüttele den Kopf und erinnere mich weiter. »Die Griechen wollten alles erfahren und erleben, was Menschen erleben können. Da gab es einen jungen Mann – Cleo. Die Geschichtsschreibung
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