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Der blonde Vampir

Der blonde Vampir

Titel: Der blonde Vampir
Autoren: Christopher Pike
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bist bei mir«, sage ich. »Du bist wie ich. Als du mich kennengelernt hast, war ich da für dich lebendig?«
»Ja.«
»Dann bist du es auch. Wie fühlst du dich?«
»So kraftvoll. Irgendwie überwältigt mich das alles. Meine Augen und Ohren nehmen mehr wahr – siehst und hörst auch du das alles?«
»Meine Sinne sind schärfer als deine. Sie sind es im Laufe der Jahre geworden. Fürchtest du dich?«
»Ja. Wird er zurückkommen?«
»Ja.«
»Wann?«
»Im Morgengrauen.«
»Wird er uns töten?«
»Zumindest hat er das vor.«
»Warum?«
»Weil er denkt, daß wir schlecht sind. Er fühlt sich verpflichtet, uns zu zerstören, bevor er sein Leben beendet.«
Ray runzelt die Stirn und sieht an sich hinab. »Sind wir schlecht?«
Ich nehme seine Hände und ziehe ihn neben mich auf den Boden. »Wir müssen es nicht sein. Bald wird es dich nach Blut verlangen, und das Blut wird dir Kraft geben. Aber um Blut zu bekommen, brauchst du nicht zu töten. Ich werde dir zeigen, wie es funktioniert.«
»Du sagtest, daß er sein Leben beendet. Will er sterben?«
»Ja. Er ist des Lebens müde. So etwas gibt es – wir leben schon so lange. Doch noch immer nicht lange genug, was mich angeht.« Ich empfinde so viel für Ray, daß ich es selbst kaum fassen kann. »Du kannst mir noch vieles zeigen.«
Er lächelt, und es wirkt traurig. »Du hast dich geopfert, um mich zu retten.«
Ich kann nicht fassen, wie sensibel er ist. »Woher weißt du das?«
»Während ich im Sterben lag, habe ich genau gespürt, daß du Angst hattest, mir dein Blut zu geben. Was passiert, wenn du so etwas tust? Macht es dich schwach?«
Ich umarme ihn, froh, daß ich ihn mit aller Kraft an mich drücken kann, ohne dabei Angst haben zu müssen, daß ich ihm die Knochen breche. »Mach dir keine Sorgen um mich. Ich habe dich gerettet, weil ich es wollte.«
»Ist mein Vater wirklich tot?«
Ich schiebe ihn ein Stück von mir und schaue ihm in die Augen. »Ja.«
Es fällt ihm nicht leicht, mich anzusehen, obwohl er jetzt selbst ein Vampir ist, ein Raubtier, das anders denkt als ein Mensch. Er hat nicht protestiert, als ich von der Notwendigkeit des Bluttrinkens gesprochen habe. Aber die Liebe zu seinem Vater sitzt so tief, daß er sie auch jetzt nicht vergessen hat.
»War es wirklich notwendig?« fragt er.
»Ja.«
»Hat er sehr gelitten?«
»Nur kurz, weniger als eine Minute.«
Er sieht mich an. »Du hast mir dein Blut auch gegeben, weil du dich schuldig gefühlt hast.«
Ich nicke. »Ich mußte dir etwas geben, denn ich hatte dir etwas genommen.«
Er stützt den Kopf auf. Er kann mir nicht vollständig vergeben, aber er versteht, warum ich es getan habe, und dafür bin ich dankbar. Er vermißt seinen Vater noch immer. »Wir sollten nicht weiter darüber reden«, sagt er.
»Das ist gut.« Ich erhebe mich. »Wir haben einiges vor uns. Yaksha kommt in der Dämmerung zurück. Wir können ihn nicht mit Gewalt vernichten, auch nicht mit vereinten Kräften. Aber wir können es schaffen, ihn auszutricksen. Wir können uns weiter unterhalten, während wir arbeiten.«
Er erhebt sich ebenfalls. »Du hast einen Plan?«
»Ich habe mehr als das: Ich habe einen Raketenträger.«
    Es kostet uns nicht viel Zeit, die Metallplatten zusammenzuschweißen, so daß wir einen fast zwanzig Zentimeter dicken Schutzschild haben. Ich arbeite draußen, damit Yaksha sich nicht über den Geruch wundert, wenn er das Haus betritt. Er wird hereinkommen müssen, denn ich habe nicht vor, zu ihm nach draußen zu gehen. Nach dem Schweißen müssen wir ein großes Rechteck aus dem Boden herausschneiden, was relativ lange dauert. Ich werde unruhiger, als die Stunden verrinnen. Ray ist mir keine große Hilfe, denn er hat in diesen Dingen keinerlei Erfahrung. Schließlich erkläre ich ihm, daß er sich besser hinsetzen und mir zusehen soll. Er ist mir nicht böse. Er sieht sich aufmerksam um, starrt ganz alltägliche Dinge an, als habe er sie noch nie zuvor gesehen. Und tatsächlich sieht er sie jetzt mit anderen Augen. Ich sage ihm, daß er aussieht wie ein Vampir auf einem LSD-Trip, und er lacht. Es ist gut, daß er noch lachen kann.
    Ich arbeite weiter, und noch immer spüre ich Yakshas Nähe.
Ich bin erleichtert.
Ich arbeite schneller, als es daran geht, die beiden Stühle an der Stahlplatte zu
    befestigen und diese wieder mit dem Teppich zu bedecken. Jetzt muß ich nicht mehr so sorgfältig sein; der Teppich verbirgt einiges. Als ich fertig bin, sieht das Wohnzimmer aus wie immer. Ich beschließe, einen Tisch zu
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