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Der blonde Vampir

Der blonde Vampir

Titel: Der blonde Vampir
Autoren: Christopher Pike
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Auf dem Schreibtisch entdecke ich ein Foto, das Mr. Riley zusammen mit einem etwa achtzehnjährigen Jungen zeigt. Ich greife nach dem Bild und halte es Riley hin. »Ist das Ihr Sohn?« frage ich unschuldig.
Schrecken verzerrt sein Gesicht. »Nein!« stammelt er.
Ich beuge mich wieder über ihn. »Ich werde ihm nichts tun. Ich will einzig diesen Slim. Wo ist er?«
Eine Welle des Schmerzes überfällt Riley, er zuckt – seine Beine werden hin und her geschüttelt wie durch einen unsichtbaren Poltergeist. Ich fasse ihn an, versuche ihn zu beruhigen, aber es ist zu spät. Seine Zähne graben sich in die Unterlippe, und mehr Blut strömt aus seinem Mund. Er tut einen Atemzug, der ihn dem Tode noch näher bringt. Er gibt ein paar merkwürdig gurgelnde Laute von sich. Dann verdreht er ein letztes Mal die Augen – und erschlafft in meinen Armen.
Während ich noch immer das Foto seines Sohnes ansehe, beuge ich mich vor und schließe Mr. Michael Rileys Augen für immer.
Mir fällt auf, daß der Junge ein nettes Lächeln hat.
Wahrscheinlich kommt er auf seine Mutter.
Nach Rileys Tod ist meine Situation noch komplizierter als zuvor. Ich weiß, daß jemand hinter mir her ist, aber ich habe mein Bindeglied zu ihm oder ihr zerstört. Hastig durchsuche ich Rileys Schreibtisch, aber ich finde nichts, was mir einen Hinweis geben könnte – nur Rileys Privatadresse. Den Grund für meinen Mißerfolg entdecke ich schließlich auf dem Schreibtisch.
Riley hat einen Computer und wahrscheinlich alle wichtigen Informationen auf der Festplatte gespeichert. Meine Vermutung wird bestärkt, als ich den Computer einschalte und auf dem Bildschirm sofort die Frage nach dem Paßwort erscheint. Obwohl ich mich mit Computern gut auskenne, besser als die meisten Experten sogar, bezweifle ich, daß ich es ohne Hilfe schaffen werde, an Rileys Daten zu gelangen.
Wieder greife ich nach dem Foto von Vater und Sohn. Die Aufnahme zeigt die beiden neben einem Computer. Riley junior, so nehme ich an, kennt das Codewort, das mir Zugang zu allem hier verschafft. Ich glaube, ich muß eine Runde mit dem Jungen reden.
Aber zuerst muß ich die sterblichen Überreste seines Vaters verschwinden lassen. Die Tatsache, daß Riley keinen Teppichboden in seinem Büro hat, erleichtert die Dinge für mich. Ich schaue mich in dem Bürohaus um und entdecke die kleine Kammer, in der der Hausmeister seine Arbeitsutensilien untergebracht hat.
Mit Mop und Eimer bewaffnet kehre ich in Rileys Büro zurück und tue das, was seine Sekretärin hier wahrscheinlich noch nie gemacht hat: Ich mache sauber. Riley selbst stopfe ich in zwei riesige grüne Plastiktüten, die ich ebenfalls aus der Hausmeisterkammer mitgenommen habe. Nachdem alle Fingerabdrücke von mir entfernt sind – ich erinnere mich an jede Stelle, die ich berührt habe –, verlasse ich das Büro mit geschulterter Last.
Die Nacht ist mein Freund; das war schon immer so. Weit und breit ist niemand zu sehen, als ich Riley die Treppen hinuntertrage und ihn in meinen Kofferraum lege. Es ist gut, daß es keine Zeugen gibt, denn ich habe keine Lust, noch einen Mord zu begehen. Mord ist für mich Stimmungssache, genau wie Liebe. Selbst dann, wenn mir keine andere Möglichkeit bleibt. Mayfair ist eine Stadt an Oregons Küste. Auf der einen Seite von Pinien umgeben, auf der anderen vom Ozean begrenzt, ist es hier um diese Jahreszeit schon recht kühl. Während ich fahre, überlege ich, daß ich eigentlich keine Lust habe, zum Strand zu gehen und dort durch den nassen Sand zu stapfen, um den toten Detektiv dort irgendwo im Meer verschwinden zu lassen. Statt dessen fahre ich in Richtung Berge.
Es ist meine erste Beerdigung in diesem Gebiet. Seitdem ich vor einigen Monaten nach Mayfair gezogen bin, habe ich niemanden getötet. Ich parke am Ende einer schmalen Straße und wandere mit Riley über der Schulter in den Wald. Ich spitze die Ohren, aber falls es hier in der Gegend wirklich Menschen geben sollte, schlafen sie.
Ich habe keine Schaufel dabei. Ich brauche keine. Meine Finger können den härtesten Boden durchdringen wie ein scharfes Messer menschliches Fleisch. Nachdem ich zwei Meilen tief in den Wald gegangen bin, lasse ich Riley zu Boden gleiten, knie mich hin und beginne mit den Händen zu graben. Natürlich mache ich mich dabei schmutzig, aber schließlich habe ich zu Hause Waschpulver und eine Waschmaschine. Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Man wird die Leiche hier niemals finden.
Aber andere Dinge bereiten
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