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Der blonde Vampir

Der blonde Vampir

Titel: Der blonde Vampir
Autoren: Christopher Pike
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mir Kummer.
Wer ist Slim?
Wie hat er mich gefunden?
Woher weiß er soviel über mich? Schließlich hat er Riley gewarnt, mir gegenüber vorsichtig zu sein.
Ich lege Riley sechs Fuß tief unter die Erde und schaufele sein Grab innerhalb weniger Minuten wieder zu. Eine Beerdigung ohne Gebet. Zu wem sollte ich auch beten? Krishna? Ihm könnte ich wohl kaum sagen, daß es mir leid tut, obwohl ich es ihm schon einmal gesagt habe, nachdem ich sein Liebstes in meinen gierigen Händen hielt. Nein, ich glaube nicht, daß Krishna mein Gebet erhören würde, selbst wenn ich darin für die Seele eines meiner Opfer bitten sollte. Krishna würde bloß lachen und sich wieder seiner Flöte zuwenden. Dem Lied seines Lebens, wie er es damals genannt hat. Aber wo erklang die Musik für diejenigen, die, wie seine Anhänger sagten, schon toter waren als tot? Wo war die Freude? Nein, ich würde für Riley nicht zu Gott beten.
Und genausowenig für Rileys Sohn.
Später, als ich wieder daheim bin in meinem neuen Haus am Meer, starre ich auf das Foto des Jungen und frage mich, woher er mir bloß so bekannt vorkommt. Seine braunen Augen sind wundervoll, groß und unschuldig, aber gleichzeitig ist sein Blick so wachsam wie der des Nachtvogels im vollen Licht des Mondes. Ich frage mich, ob der Tag kommen wird, an dem ich ihn neben seinem Vater begraben muß. Dieser Gedanke macht mich traurig. Ich weiß nicht, warum.
    2.
KAPITEL
    Ich brauche nicht viel Schlaf, höchstens zwei Stunden, die ich mir meist dann genehmige, wenn die Sonne am Zenit steht. Sonnenlicht bekommt mir nicht, aber es ist für einen Vampir auch nicht der tödliche Feind, wie Bram Stoker es in seiner Erzählung von Graf Dracula beschrieben hat.
    Ich habe den Roman Dracula gleich damals gelesen, als er erschien – und etwa zehn Minuten dazu gebraucht. Ich habe ein fotografisches Gedächtnis, das hundertprozentig funktioniert. Ich fand das Buch erfrischend. An einem dieser öden englischen Abende im Jahr 1899 habe ich Mr. Stoker dann einen Besuch abgestattet. Er hat nicht bemerkt, um wen es sich bei seinem Gast handelte. Ich war sehr liebenswürdig zu ihm. Ich habe ihn gebeten, sein Buch für mich zu signieren, und bevor ich ging, habe ich ihm einen dicken Kuß gegeben. Dabei hatte ich nicht wenig Lust, sein Blut zu probieren, aber ich habe mich beherrscht. Schließlich habe ich gehofft, daß er eine Fortsetzung seines Romans schreibt, und ihn sogar dazu ermutigt. Die Menschen sind selten in der Lage, sich länger mit Dingen zu beschäftigen, die sie wirklich in Angst und Schrecken versetzen, mit Ausnahme vielleicht einiger Horrorroman-Autoren der Gegenwart. Aber Stoker war ein sensibler Mann; er hat genau gespürt, daß an mir irgend etwas Besonderes war. Ich glaube, er war ganz angetan von mir.
    Zurück zum Thema: Ich meide also die Sonne, weil sie meine Kräfte schwächt. Tagsüber, besonders dann, wenn die Sonne hoch am Himmel steht, fühle ich mich oft benommen. Nicht so müde, daß ich mich hinlegen muß, aber doch so schlapp, daß ich mich für kaum etwas begeistern kann. Doch obwohl ich tagsüber nicht so reaktionsschnell und stark bin, kann ich es noch mit jedem Sterblichen aufnehmen. Natürlich ist meine Lieblingszeit die Nacht. Ich mag die verschwommenen Konturen ins Dunkel getauchter Landschaften. Und manchmal träume ich davon, dem Planeten Pluto einen Besuch abzustatten.
    Am darauffolgenden Tag werde ich schon in der Dämmerung aktiv. Zuerst rufe ich die drei Finanzverwalter an, die sich um mein Geld und meine Anlagen kümmern – jeder von ihnen auf einem anderen Kontinent –, und erkläre ihnen, daß ich aus guten Grund sehr ungehalten bin: Offenbar habe jemand Einsicht in meine Finanzen genommen.
    Ich lausche ihren Unschuldsbeteuerungen und kann bei keinem von ihnen etwas wie Falschheit in der Stimme entdecken. Meine Bewunderung für Mr. Rileys Fähigkeiten als Detektiv wächst. Offenbar war er ein Könner. Er muß in meinem Fall ziemlich geschickt vorgegangen sein.
    Oder jemand hat ihm geholfen.
Natürlich hat ihm jemand geholfen, aber Riley war seinem Auftraggeber gegenüber nicht loyal. Als er gemerkt hat, wie reich ich bin, hat er sich wohl gesagt, daß es wesentlich lukrativer sei, die Sache mal auf andere Weise anzugehen. Das läßt mich vermuten, daß Rileys Auftraggeber dem Detektiv keine Einzelheiten über mich sagen konnte, wo ich zum Beispiel wohne und ähnliches. Aber natürlich wird er bald Rileys Verschwinden bemerken und herausfinden wollen, wer
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