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Der blonde Vampir

Der blonde Vampir

Titel: Der blonde Vampir
Autoren: Christopher Pike
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ihn umgebracht hat. Wahrscheinlich bleibt mir bis dahin noch ein bißchen Zeit, aber nicht viel. Mir wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als Rileys Auftraggeber genauso zu töten, wie ich den Detektiv getötet habe.
Durch meinen amerikanischen Finanzberater lasse ich arrangieren, daß ich mich noch am selben Tag an der Mayfair-High-School einschreiben kann. Die Maschinerie läuft an, und wenig später habe ich eine neue Identität. Ich bin Lara Adams, und mein Vormund, Mrs. Adams, wird in der Schule meine Studienunterlagen vorlegen und mich in möglichst viele Kurse eintragen, die auch Ray Riley besucht. Ich habe nicht lange gebraucht, den Vornamen des Jungen herauszufinden. Mein Einfluß ist so beträchtlich wie die Massen von Blut, die ich im Laufe der Geschichte hinterlassen habe. Ich werde diese angebliche Mrs. Adams nie kennenlernen und sie mich auch nicht, es sei denn, sie sollte eines Tages ihr Schweigen brechen und jemandem von dieser Geschichte erzählen. Wenn das passieren sollte, wird es ihre letzte Unterhaltung gewesen sein. Meine Verbündeten respektieren meinen Wunsch nach Diskretion. Ich bezahle sie gut dafür.
In der folgenden Nacht bin ich ruhelos und verspüre Durst. Wie oft ich Blut trinken muß? Es gelüstet mich danach, wenn ich eine Woche nichts bekommen habe. Nach einem Monat Abstinenz kann ich an nichts anderes mehr denken als an eine bluttriefende Kehle. Wenn ich zu lange nichts zu mir nehme, werde ich schwächer. Aber ich sterbe nicht davon, zumindest nicht gleich. Mein absoluter Rekord waren sechs Monate ohne Menschenblut. Tierblut trinke ich nur in absoluten Notfällen. Nur menschliches Blut befriedigt mich wirklich, und ich glaube, es ist mehr die Lebenskraft in diesem Blut als die physikalische Zusammensetzung des Stoffes an sich, die mich so stark danach gelüsten läßt. Ich weiß nicht genau, wie ich diese Lebenskraft beschreiben soll: Ich spüre das schlagende Herz des Opfers, wenn ich mich über die geöffnete Vene senke, ich fühle das menschliche Verlangen. Die Lebenskraft, die von einem Tier ausgeht, ist wesentlich primitiver. Wenn ich einen Menschen aussauge, trinke ich gleichzeitig einen Teil seines Wesens und Willens.
Man braucht jede Menge Willenskraft, um fünfzig Jahrhunderte zu überstehen.
Es ist keineswegs so, daß Menschen selbst zu Vampiren werden, nachdem ich sie gebissen habe. Auch dann nicht, wenn sie von meinem Blut trinken. Blut, das man trinkt, geht durch den gesamten Verdauungstrakt und wird dort zersetzt. Ich habe keine Ahnung, wie die Legende entstanden ist, daß ein Vampirbiß die Verwandlung des Menschen nach sich zieht. Ich kann nur einen neuen Vampir erschaffen, indem ich Blut mit der anderen Person austausche – und es muß reichlich Blut sein. Mein Blut muß sozusagen die Herrschaft im Körper des anderen übernehmen, damit er oder sie unsterblichen wird.
Natürlich erschaffe ich heutzutage keine neuen Vampire mehr.
Ich fahre Richtung Süden, immer weiter die Küste entlang. Erst in Nordkalifornien halte ich an. Es ist schon sehr spät. Nicht weit von der Straße entfernt entdecke ich eine Bar. Ich gehe einfach hinein. Die männlichen Gäste starren mich an und wechseln bedeutungsvolle Blicke mit ihren Kumpels.
Ich schaue dem Barkeeper tief in die Augen, und er verzichtet darauf, mich nach meinem Ausweis zu fragen. Die Gäste sind zum größten Teil Männer; ich sehe nur wenige Frauen. Ich suche nach einem bestimmten Typ Mann, jemandem, der wahrscheinlich nur auf der Durchreise ist, und kurz darauf entdecke ich einen geeigneten Kandidaten. Er sitzt mutterseelenallein in der Ecke. Er ist groß, kräftig und unrasiert; seine dicke Jacke ist nicht direkt schmutzig, aber mit Ölflecken gesprenkelt, die nicht allzu frisch aussehen. Er wirkt nicht direkt deprimiert, aber hockt ein wenig verlassen hinter seinem kalten Bier. Er ist Trucker, da bin ich sicher, ich kenne den Typ. Ich habe ihn mehr als einmal als Opfer gewählt.
Ich lasse mich ihm gegenüber nieder, und er guckt erstaunt hoch. Ich lächle. Mein Lächeln kann die Menschen entweder für mich einnehmen oder in den Zustand erhöhter Wachsamkeit versetzen, aber mein Gegenüber genießt es offensichtlich. Er bestellt mir ein Bier, und wir unterhalten uns. Ich frage ihn nicht, ob er verheiratet ist – obwohl es daran keinen Zweifel gibt –, und er schneidet das Thema ebenfalls nicht an. Nach einer Weile verlassen wir das Lokal, und er führt mich zu einem Motel. Mir hätte auch sein Truck genügt.
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