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Der blonde Vampir

Der blonde Vampir

Titel: Der blonde Vampir
Autoren: Christopher Pike
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antworte ich. »Ich akzeptiere es einfach als eine Tatsache. Die Mächtigen versuchen immer, die weniger Mächtigen auszunutzen.«
»Das ist die unglücklichste Verallgemeinerung, die ich je gehört habe«, erklärt Mr. Castro. »Auf welcher Schule waren Sie, bevor Sie nach Mayfair gezogen sind?«
»Das dürfte für Sie ohne Bedeutung sein.«
»Mir scheint, Sie haben ein Problem mit Autoritäten«, erwidert Mr. Castro.
»Nicht immer. Kommt ganz drauf an.«
»Auf was?«
»Darauf, ob die Autorität dumm ist oder nicht«, sage ich – mit einem Lächeln, das keinen Zweifel daran läßt, daß ich ihn meine. Klugerweise reagiert Mr. Castro nicht darauf, sondern wechselt das Thema.
Aber er bittet mich, noch dazubleiben, als es zum Ende der Stunde läutet. Wie lästig; ich hätte die Zeit lieber genutzt, um mit Ray zu sprechen. Ich sehe ihm hinterher, als er den Raum mit Pat verläßt. Er schaut sich noch einmal nach mir um, bevor er um die Ecke biegt. Mr. Castro pocht auf den Schreibtisch, damit ich ihm zuhöre.
»Stimmt irgend etwas nicht?« frage ich ihn.
»Ich hoffe nicht«, erwidert Mr. Castro. »Natürlich wünsche ich mir, daß wir uns von Anfang an richtig verstehen. Daß jeder von uns begreift, woher der andere kommt.«
Ich starre ihn an, nicht stark genug, um ihn ermatten zu lassen, aber er erschaudert. »Ich denke, ich weiß genau, woher Sie kommen«, erkläre ich.
Er wirkt verärgert. »Oh, und woher?«
Ich rieche den Alkohol in seinem Atem – Alkohol von der letzten Nacht, der vorletzten und der Nacht davor. Er dürfte erst um die Dreißig sein, aber die Ringe unter seinen Augen lassen vermuten, daß seine Leber aussieht wie die eines Siebzigjährigen. Seine sichere Haltung ist bloße Tarnung; seine Hände zittern, während er auf meine Antwort wartet. Er mustert mich von oben bis unten. Ich beschließe, seine Frage zu ignorieren.
»Sie glauben, daß ich die falsche Einstellung habe«, sage ich. »Aber ich bin nicht diejenige, für die Sie mich halten. Wenn Sie wüßten, wer ich bin, würden Sie meine Geschichtskenntnisse zu schätzen wissen und…«, ich zögere, »andere Dinge auch.«
»Welche Note wollen Sie in diesem Kurs bekommen?«
Ich muß laut loslachen; seine Frage ist wirklich albern. Ich lehne mich vor und kneife ihn in die Wange – so fest, daß er erschrocken zurückspringt. Er kann sich glücklich schätzen, daß ich seine Kehle in Ruhe lasse. »Ach, Mr. Castro, ich bin sicher, daß Sie der guten alten Lara genau die Note geben, die sie sich wünscht. Oder sehen Sie das anders?«
Er versucht, meine Hand abzuschütteln, aber natürlich habe ich sie längst zurückgezogen. »He! Sie sollten aufpassen, was Sie tun, Miss!«
Ich kichere. »Ich werde auf Sie aufpassen, Mr. Castro. Nur um sicher zu sein, daß Sie nicht an einer Alkoholvergiftung sterben, bevor das Semester vorüber ist. Ich bin auf Ihre gute Note angewiesen, wissen Sie?«
»Ich trinke keinen Alkohol«, protestiert er schwach, während ich schon davongehe.
»Und mir ist scheißegal, was für eine Note Sie mir geben«, sage ich über die Schulter.
Ich schaffe es nicht mehr, Ray zu erwischen, bevor mein nächster Kurs beginnt, an dem er nicht teilnimmt. Offenbar hat mein angeblicher Vormund es doch nicht geschafft, unsere Stundenpläne optimal aufeinander abzustimmen. Ich sitze fünfzig Minuten Trigonometrie ab, welche ich natürlich ebensogut beherrsche wie Geschichte. Aber es gelingt mir, den Lehrer nicht zu befremden.
Auch meinen nächsten Kurs besuche ich nicht zusammen mit Ray. Aber die vierte Stunde stimmt auf beiden Plänen wieder überein: Biologie. Die dritte Stunde ist Sport, und ich habe blaue Shorts und ein weißes T-Shirt mitgenommen, um entsprechend gekleidet zu sein. Rays Freundin, Pat McQueen, benutzt den Schrank neben meinem, und wir unterhalten uns, während wir uns umziehen.
»Warum hat Castro dich gebeten, nach der Stunde noch dazubleiben?« »Er wollte mich zu etwas einladen.«
»Ja, er mag hübsche Mädchen. Wie findest du übrigens Ray?«
Offensichtlich versucht Pat herauszufinden, was ich von ihrem Freund will. »Ich glaube, er braucht viel Liebe«, antworte ich.
Pat ist nicht sicher, was sie von dieser Bemerkung halten soll, und sie lacht. »Ich gebe ihm mehr, als er verkraften kann.« Sie zögert und blickt bewundernd auf meinen augenblicklich unbekleideten Körper. »Du weißt sicher, daß du unglaublich schön bist. Die Jungs müssen dir die Türen einrennen.«
Ich ziehe meine Shorts an. »Das ist mir egal. Ich
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