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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla
Autoren: Robert Wilson
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erschien.
    »Haben Sie gesehen, dass man dem Mann die Augenlider entfernt hat?«
    » Claro , Inspector Jefe. Der Juez de Guardia und ich mussten uns doch vergewissern, dass der Mann tot war. Dabei habe ich auch bemerkt, dass die Augenlider des Mannes entfernt worden sind und … es steht alles in meinen Notizen. Die secretaria hat es bereits aufgenommen. So etwas würde man ja wohl kaum übersehen.«
    »Nein, nein, daran zweifle ich gar nicht … ich war lediglich überrascht, dass man es mir gegenüber nicht erwähnt hat.«
    »Ich glaube, Juez Calderón wollte es Ihnen sagen, aber …«
    »Aber was …?«
    »Er war wohl ein wenig eingeschüchtert von Ihrer Erfahrung in diesen Dingen.«
    »Haben Sie schon eine Meinung zu Todeszeit und -ursache?«
    »Todeszeit etwa vier, halb fünf heute Früh. Und die Ursache, nun ja, vamos a ver , der Mann war über 70, übergewichtig, starker Raucher von filterlosen Zigaretten, und als Restaurantbesitzer hat er sicher gern mal das eine oder andere Gläschen Wein getrunken. Selbst ein sportlicher junger Mann hätte diese Verletzungen sowie die physischen und psychischen Leiden möglicherweise nur in einem extremen Schockzustand ertragen. Er ist an Herzversagen gestorben, da bin ich ganz sicher. Das wird die Obduktion bestätigen … oder auch nicht.«
    Eingeschüchtert von Falcóns Blick und verärgert über das dümmliche Ende seiner Ausführungen, drückte der Médico Forense sich aus der Tür, in der unmittelbar darauf Calderón und Ramírez auftauchten.
    »Lassen Sie uns anfangen«, sagte Calderón.
    »Wer hat den Notruf gewählt?«, fragte Falcón.
    »Der conserje «, sagte Calderón. »Nachdem das Hausmädchen …«
    »Nachdem das Hausmädchen mit ihrem Schlüssel die Wohnung betreten und die Leiche entdeckt hatte, woraufhin sie aus der Wohnung gestürzt ist und den Lift zurück ins Erdgeschoss genommen hat …?«
    »… wo sie hysterisch mit den Fäusten an die Wohnungstür des Pförtners gehämmert hat«, beendete Calderón seinen Satz, verärgert über Falcóns Unterbrechung. »Es hat eine Weile gedauert, bis sie sich halbwegs verständlich äußern konnte, und dann hat er die 091 angerufen.«
    »Ist der Pförtner auch hier hoch gekommen?«
    »Erst nachdem der erste Streifenwagen eingetroffen und der Tatort abgesperrt worden ist.«
    »Stand die Tür offen?«
    »Ja.«
    »Und wo ist das Hausmädchen jetzt?«
    »Sie liegt im Hospital de la Virgen de la Macarena, wo man sie ruhig gestellt hat.«
    »Inspector Ramírez …«
    »Ja, Inspector Jefe …«
    Alle Wortwechsel zwischen Falcón und Ramírez begannen so. Es war Ramírez’ Art, den Inspector Jefe daran zu erinnern, dass Falcón aus Madrid gekommen war und den Posten geklaut hatte, den Ramírez stets sicher als seinen betrachtet hatte.
    »Schicken Sie Inspector Perez zu dem Krankenhaus, und sobald das Hausmädchen aufwacht … Hat sie auch einen Namen?«
    »Dolores Olivia.«
    »Sobald sie vernehmungsfähig ist, soll er sie fragen, ob ihr irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen ist … Na ja, Sie kennen ja die üblichen Fragen. Und fragen Sie sie, wie oft sie den Schlüssel im Schloss gedreht hat, um die Tür aufzuschließen, und was genau sie getan hat, bevor sie die Leiche entdeckt hat.«
    Ramírez wiederholte die Anweisung.
    »Haben Sie Señora Jiménez und die Kinder schon ausfindig machen können?«, fragte Falcón.
    »Wir glauben, dass sie im Hotel Colón sind.«
    »In der Calle Bailén?«, fragte Falcón. Das Fünf-Sterne-Hotel, in dem alle Toreros abstiegen, war nur 50 Meter vom Haus seines verstorbenen Vaters entfernt – was für ein Zufall.
    »Man hat einen Wagen geschickt«, sagte Calderón. »Ich würde die levantamiento del cadáver , die Leichenschau hier vor Ort, gern so bald wie möglich abschließen und die Leiche ins Instituto Anatómico Forense abtransportieren lassen, bevor wir Señora Jiménez nach oben bringen.«
    Falcón nickte, und Calderón ließ sie allein. Die beiden Beamten der Policía Científica, Felipe, Mitte 50, und Jorge, Ende 20, betraten mit einem gemurmelten buenos días das Zimmer. Falcón starrte auf den auf dem Boden liegenden Stecker des Fernsehers und beschloss, ihn unerwähnt zu lassen. Die beiden fotografierten das Zimmer und begannen gemeinsam, eine Theorie zum Tathergang zu entwickeln, während Jorge Jiménez’ Fingerabdrücke nahm und Felipe den TV-Schrank und die beiden leeren Hüllen auf dem Fernseher auf Abdrücke untersuchte. Sie waren sich einig über den normalen
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