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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla
Autoren: Robert Wilson
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der Truppe, die achtzehn Meter tiefer die Hebebühne bediente.
    »Wer sind denn diese Idioten?«, fragte Felipe.
    Falcón trat auf den Balkon und überraschte die beiden Männer auf der Plattform, die durch eine Leiter mit einem auf der Straße geparkten LKW verbunden war.
    »Wer zum Teufel sind Sie?«
    »Wir sind von der Umzugsfirma«, sagten sie und drehten sich um, um den gelben Aufdruck auf ihren Overalls zu zeigen: Mudanzas Triana Transportes Nacionales e Internacionales.

2
    Donnerstag, 12. April 2001, Edificio Presidente,
    Los Remedios, Sevilla

    Juez Esteban Calderón unterschrieb die levantamiento del cadáver , die ein weiteres Beweismittel hervorgebracht hatte. Unter der Leiche lag ein Baumwolllappen, der leicht nach Chloroform roch.
    »Ein Fehler«, sagte Falcón.
    »Inspector Jefe?«, fragte Ramírez neben ihm.
    »Der erste Fehler in einer gut geplanten Operation.«
    »Was ist mit den Haaren, Inspector Jefe?«
    »Wenn die Haare dem Mörder gehören … dann war ihr Verlust ein Unfall. Aber einen mit Chloroform getränkten Lappen zurückzulassen, ist ein Fehler. Er hat Raúl Jiménez mit dem Chloroform betäubt, wollte den Lappen aber nicht einstecken, hat ihn auf den Stuhl geworfen und Don Raúl darauf gesetzt. Aus den Augen, aus dem Sinn.«
    »Ein so wichtiges Beweismittel ist es nun auch wieder nicht …«
    »Es ist ein Hinweis auf die Art Mensch, mit der wir es zu tun haben, sein Denken: sorgfältig, aber nicht professionell. Vielleicht ist er auch an anderen Punkten nachlässig gewesen, zum Beispiel beim Besorgen des Chloroforms. Vielleicht hat er es hier in Sevilla in einem Laden für medizinische Produkte gekauft oder in einem Krankenhaus oder in einer Apotheke gestohlen. Der Mörder hat geradezu obsessiv darüber nachgedacht, was er seinem Opfer antun will, aber nicht über das ganze Drum und Dran.«
    »Man hat Señora Jiménez gefunden und informiert. Ein Wagen wird ihre Kinder im Haus ihrer Schwester in San Bernardo absetzen und sie alleine herbringen.«
    »Wann will der Médico Forense die Obduktion vornehmen?«, wollte Falcón wissen.
    »Möchten Sie dabei sein?«, fragte Calderón, das Handy in der Hand. »Er hat gesagt, er wolle sich sofort an die Arbeit machen.«
    »Nicht unbedingt«, sagte Falcón, »ich will bloß die Ergebnisse. Es gibt hier eine Menge zu tun. Zum Beispiel sollten wir uns meiner Meinung nach alle den Film La Familia Jiménez ansehen, bevor Señora Jiménez eintrifft. Ist sonst noch jemand vom Dezernat hier?«
    »Fernández redet mit dem conserje , Inspector Jefe.«
    »Sagen Sie ihm, er soll sich alle Videobänder der Sicherheitskameras vornehmen, sie gemeinsam mit dem conserje ansehen und jede Person notieren, die der Pförtner nicht kennt.«
    Ramírez ging zur Tür.
    »Und noch was … beauftragen Sie irgendjemanden, in allen Krankenhäusern, Labors und Läden für medizinische Produkte nachzufragen, ob Chloroformflaschen fehlen beziehungsweise an auffällige Personen verkauft worden sind. Und Skalpelle auch.«
    Falcón rollte den TV-Wagen zurück an seine angestammte Position in der Ecke des Zimmers. Calderón setzte sich in den Lederdrehstuhl, während Falcón die Geräte wieder einstöpselte. Ramírez stand neben dem Stuhl des Toten, der in Plastik verpackt bereitstand, um zur Policía Científica abtransportiert zu werden, und murmelte in sein Handy. Calderón ließ die Videokassette auswerfen, musterte die Spulen, schob das Band wieder in das Abspielgerät und spulte zurück.
    »Die Leute von der Umzugsfirma sind auch noch hier, Inspector Jefe.«
    »Im Moment kann keiner mit ihnen reden. Sie sollen warten.«
    Calderón drückte auf Play. Sie verteilten sich auf die Stühle im Raum und starrten in der geradezu hermetischen Stille der leeren Wohnung auf den Bildschirm. Das Band begann mit einer Aufnahme der Familie Jiménez, die aus dem Edificio Presidente kam, Raúl und Consuelo Arm in Arm. Sie trug einen knöchellangen Pelz, er einen karamellfarbenen Mantel, die drei Jungen waren identisch in grün und dunkelrot ausstaffiert. Sie gingen direkt auf die Kamera zu, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand, und bogen links in die Calle Asunción. Dann ein Schnitt auf dieselbe Familiengruppe, die in anderer Kleidung an einem sonnigen Tag aus dem Corte-Inglés-Kaufhaus an der Plaza del Duque de la Victoria kam. Über die Straße gingen sie zu dem kleinen Markt in der Mitte, wo Modeschmuck, Schals, CDs, Ledertaschen und Portemonnaies verkauft wurden. Dann
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