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Der beste Freund kann auch ein Mädchen sein

Der beste Freund kann auch ein Mädchen sein

Titel: Der beste Freund kann auch ein Mädchen sein
Autoren: Ann Mari Falk
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durchs Fenster spähen. Auf dem großen Tisch, wo täglich die Zeitungen sortiert werden, liegt ein Stück weißer Stoff und daneben eine Rolle mit schwarzem Faden. Jan legt seine Hand auf Stinas Mund, um zu verhindern, daß sie etwas sagt. Dann schleichen sie wieder davon.
    „Laß sie nur ruhig weitermachen, wir kümmern uns um unsere eigenen Sachen“, sagt er.
    Sie haben angefangen, eine Hütte zu bauen. Es ist natürlich gut, daß Onkel und Tante nicht sehen, wie Stina und Jan mit Säge und Hammer und Nägeln in der großen Kastanie hausen, denn das macht einen recht gefährlichen Eindruck. Jan sitzt rittlings auf einem dicken Ast und arbeitet, daß er ganz rot im Gesicht wird und ihm der Schweiß auf die Stirn tritt. Stina klettert hinauf und hinunter, bringt noch mehr Bretter und Nägel und die Beißzange. Sie hat schon ein Loch in der Hose und ist genauso rot und heiß wie Jan. Beide vergessen völlig, daß sie eigentlich auf den Bus mit den Paketen warten. Sie sind ganz in ihre Arbeit versunken.
    Nach und nach wird der Boden fertig, und dann auch die Wände. Es wäre keine Kunst gewesen, das Dach zu bauen, aber als sie soweit sind, steht Onkel David unter der Kastanie und kratzt sich nachdenklich den Kopf.
    „Einen so großen Nistkasten habe ich noch nie gesehen“, sagt er. „Aber darf ich jetzt vielleicht fragen, ob die Baumeister Zeit zum Essen haben?“
    Freilich, das haben sie schon; vor allem weil aus der Küche ein leckerer Duft von frischgebackenen Eierkuchen kommt. Da bläst sich Stina plötzlich vor Jan auf. „Du kannst nicht so viele Eierkuchen essen wie ich“, behauptet sie.
    Aber das kann er doch, und er trinkt drei Gläser voll Milch dazu. Er muß seinen Gürtel um mehrere Löcher weiter schnallen, so viel hat er in sich hineingestopft. Onkel und Tante freuen sich sehr und rufen in Stockholm an, um zu erzählen, wie tüchtig Jan gegessen hat. Sie sagen kein Wort von der Hütte im Baum, sondern berichten nur dauernd von den Eierkuchen und der Milch. Jan hat es bald satt, ihnen zuzuhören. Es ist doch klar, daß man ißt, wenn man Hunger hat.
    Jan ist auch ziemlich müde von der Arbeit und schläft schon, ehe Tante Anna die Gutenachtgeschichte vorgelesen hat. Doch plötzlich wacht er von einem seltsamen Gepolter wieder auf. Das ist kein Regen, der auf die Blätter prasselt, und auch nicht die Kastanie, die gegen die Scheibe kratzt. Stina liegt ganz ruhig da; sie atmet still und gleichmäßig. Von Skrot und Skrutt ist auch kein Laut zu hören, aber es klopft und pocht vor dem Fenster.
    Jan klettert auf das Kissen und schiebt die Gardine beiseite.
    Draußen ist es beinahe dunkel, doch aus der Kastanie dringt ein Lichtschimmer. Dort hängt eine Taschenlampe. Jan wird so wütend, daß ihm richtig schlecht ist. Er nimmt an, die großen Jungen von Bluff City sind im Garten, um die Hütte zu zerstören. Ja, mindestens ein großer Junge ist dort oben, der keucht und hämmert und offensichtlich ab und zu seinen Daumen statt den Nagel trifft. Nicht genug damit, daß er um sich schlägt und alles zerstört, er flucht obendrein auch noch.
    „Aber David, wenn die Kinder dich hören!“ Auf der Wiese steht Tante Anna und reicht ihrem Mann Werkzeug hinauf, nimmt krumme Nägel und alte Bretterstücke entgegen.
    „Entschuldigung“, sagt er. „Das tut so . .. furchtbar weh. Autsch!“
    „Sollen wir jetzt nicht aufhören?“ fragt Tante Anna besorgt. „Sonst verletzt du dich vielleicht noch ernstlich.“
    „Sobald ich sicher sein kann, daß die Hütte nichtunterden Kindern zusammenbricht“, erwidert er. „Morgen helfe ich Jan, eine feste Leiter zu zimmern.“
    „Sie könnten auf dem Boden bleiben, finde ich“, sagt die Tante.
    „Hast du das getan, als du ein Kind warst?“
    „Hm, nein. Meine Schwester und ich waren ganz verrückt danach, an der Regenrinne hochzuklettern und auf dem Dachfirst zu balancieren“, gibt Tante Anna zu.
    Jan beißt ins Kissen, um nicht laut loszulachen, so komisch findet er die Vorstellung von zwei Frauen, die auf einem Dach herumturnen. Und eine davon ist obendrein seine eigene Mutter. Aber damals waren sie natürlich noch keine Frauen.
    Onkel David hämmert noch eine Weile; dann nimmt er die Lampe, springt vom Baum und kniet sich auf den Boden.
    „Was machst du?“ fragt Tante Anna.
    „Ich verwische die Spuren unserer dunklen Taten“, erwidert er lachend. „Die Kinder sollen nicht merken, daß ich ihre Hütte ein bißchen verbessert habe.“
    Jan kriecht wieder
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