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Der beste Freund kann auch ein Mädchen sein

Der beste Freund kann auch ein Mädchen sein

Titel: Der beste Freund kann auch ein Mädchen sein
Autoren: Ann Mari Falk
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reibt sich das Schienbein, wo Stina ihm vorher einen Tritt versetzt hat, bloß weil er auf der Treppe zufällig gegen sie gestoßen ist.
    „Geht’s dir nicht gut, Stina-Kind?“ fragt Onkel David.
    Was für eine dumme Frage, denkt Jan. Sie hat glühend rote Backen, ihre Augen glänzen, und ihr Gesicht sieht fast noch dicker aus als sonst. Tante Anna greift nach Stinas Pullover und zieht ihn hoch. Sie sieht sich ihren Rücken an, betastet Stinas runden Bauch und murmelt, daß nichts von einem Ausschlag zu sehen sei.
    Da flucht Stina.
    Jan versteht seine Kusine. Er würde ebenfalls wütend werden, wenn jemand ihn befühlen und an ihm herumdrücken würde — noch dazu am Eßtisch. Aber die Tante setzt ein strenges Gesicht auf. Stina geht ins Badezimmer. Sie läßt die Tür offen, und man hört, wie sie sich die Zähne putzt und gurgelt.
    „Jetzt spült sie ihren Mund wieder sauber“, sagt Onkel David. Dann hustet er in seine Serviette, denn er erinnert sich daran, daß Jan ihm zugehört hat, als er nachts die Hütte im Baum fertigbaute.
    Im Badezimmer ist es still.
    Sehr still.
    Furchtbar lange.
    „Bitte Jan!“ sagt Tante Anna.
    Er versteht sie und läuft seiner Kusine nach. Stina sitzt zusammengekauert auf dem Boden und drückt die Stirn gegen die kalte Kachelwand. Sie schlägt nicht mehr nach Jan, als er sie vorsichtig berührt, sondern streckt nur eine brennend heiße kleine Hand aus.
    „Du bist ja krank“, murmelt Jan.
    Sie nickt, sagt jedoch noch immer kein Wort. Das ist so ihre Art. Andere Kinder weinen oder schreien, Stina aber schweigt.
    Trotzdem verursacht ihr Zustand eine Menge Lärm und Aufregung. Jan erinnert sich daran, wie es damals im Herbst war, als er krank wurde. Mama und Papa hielten den Laden geschlossen, bis der Doktor kam. Aber die Post muß geöffnet bleiben, und hier im Dorf gibt es keinen Arzt. Dabei hat Stina gefährlich hohes Fieber. Jan traut seinen Ohren nicht, als Tante Anna ein paar von den Jungen und Mädchen anruft, die in Bluff City so wüst gehaust haben.
    Zwei von ihnen helfen Onkel David, die Post zu sortieren. Einer fährt mit dem Fahrrad los und sucht die Krankenschwester, die irgendwo in der Gegend einen Kranken besucht.
    „Sie sind nett und hilfsbereit, auch wenn sie sich manchmal ein bißchen schlecht benehmen“, sagt die Tante zu Jan. „Weißt du, hier auf dem Land müssen wir uns gegenseitig helfen, sonst geht es nicht.“
    Sehr viel mehr sagt Tante Anna an diesem Tag nicht zu ihm.

Geteiltes Leid ist halbes Leid

    Jetzt sitzt Jan im Kirschbaum und hält die großen Stiefel des Weihnachtsmannes umschlungen.
    Der Tag war langweilig, und er schien kein Ende zu nehmen — ja, es war einer der schlimmsten Tage die Jan je erlebt hat. Alles ging schief. Jan, der so gut lesen kann, meinte, er könnte Onkel David ebenfalls beim Sortieren der Post helfen, aber die großen Jungen Anders und Arne jagten ihn sofort wieder aus dem Schalterraum.
    „Das erledigen alles wir“, sagten sie. „Du bist noch zu klein.“
    Da dachte Jan, daß er Stina eine Geschichte vorlesen könnte, während sie auf die Krankenschwester warteten. Doch man ließ ihn nicht zu ihr ins Zimmer, denn sie war eingeschlafen und sollte nicht wach werden.
    Er wanderte mit Skrot und Skrutt durchs Dorf. Viele, viele Stunden lang; jedenfalls kam es Jan so vor. Das war eigentlich ganz fein, aber bald taten ihm die Füße weh. Und er band die Schwimmweste um, setzte sich in den Kahn und spähte über den See.
    „Schiff ahoi!“ sagte er.
    Das einzige Schiff, das er sah, war ein Boot mit Außenbordmotor, in dem zwei Frauen saßen. Die Sonne stach Jan in die Augen, und beim Schaukeln des Kahns auf den Wellen war ihm gar nicht sehr wohl zumute. Stina hätte bestimmt gelacht, wenn sie gewußt hätte, daß Jan ein seekranker Pirat war.
    Er versuchte ein bißchen in der Baumhütte zu spielen; dabei tat er so, als wäre Stina bei ihm. Aber das ging nicht. Auf dem Boden zusammengekauert, schlief er schließlich ein.
    Nun sitzt er im Kirschbaum bei der Vogelscheuche. Dort unten auf der Straße steht ein Auto. Die Krankenschwester hat den Arzt geholt, obwohl er so weit entfernt wohnt. Das Fenster zum Kinderzimmer steht offen, aber man hört keinen Laut. Doch — plötzlich lacht jemand! Ein tiefes, dröhnendes Lachen, das Jan fremd vorkommt. Das muß der Doktor sein. Und darunter mischt sich ein kleines, jämmerliches Lachen, das in Husten endet. Stina ist erst sechseinhalb Jahre alt, aber sie ist sehr tapfer.
    Jan mag
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